Eine Kamera für unsichtbare Felder
Physiker vom Labor für Attosekundenphysik der LMU und des MPQ haben ein Elektronenmikroskop entwickelt, mit dem sie pro Sekunde Billionen Mal oszillierende elektromagnetische Felder sichtbar machent.
Elektromagnetische Felder sind der Motor unserer Elektronik. Sie verändern sich rasend schnell, sind unsichtbar und damit schwer zu fassen. Eine bessere Kenntnis dieser Felder in elektronischen Bauteilen, wie etwa Transistoren, ist allerdings notwendig, bevor die Elektronik der Zukunft Realität werden kann. Einen wichtigen Meilenstein dorthin haben nun die Ultrakurzzeitphysiker vom Labor für Attosekundenphysik (LAP) der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) erreicht. Sie haben ein Elektronenmikroskop gebaut, mit dem sie elektromagnetische Felder sichtbar machen und deren ultraschnelle Veränderungen aufzeichnen können.
Alle elektronischen Geräte des Alltags werden letztendlich von elektromagnetischen Feldern getrieben. Durch sie verschieben sich Elektronen und Ströme in Bauteilen wie etwa in Transistoren. Dort sorgen sie letztendlich für Datenfluss oder Speichervorgänge. Eine bessere Kenntnis der elektromagnetischen Feldverläufe und ihrer ultraschnellen Veränderungen in elektronischen Bauteilen könnte die Elektronik der Zukunft effizienter gestalten. Ein Elektronenmikroskop zur Analyse elektromagnetischer Felder haben nun Physiker der Arbeitsgruppe „Ultrafast Electron Imaging“ des Labors für Attosekundenphysik der LMU und des MPQ entwickelt.
Das Elektronenmikroskop wird mit ultrakurzen Laserpulsen von wenigen Femtosekunden Dauer betrieben (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde). Diese Laserpulse erzeugen wiederum Elektronenpulse, die nur aus einzelnen Elektronen bestehen und durch das Einwirken von Terahertz-Strahlung weiter verkürzt werden. Diese Technologie haben die Münchner Physiker schon vorher entwickelt (Science 22. April 2016, doi: 10.1126/science.aae0003) und sie erlaubt die Erzeugung von Elektronenpulsen, die kürzer als eine halbe Schwingung einer Lichtwelle sind.
Mit diesen ultrakurzen Elektronenpulsen werden nun elektromagnetische Felder sichtbar gemacht. Im Experiment ließen die Physiker die Elektronenpulse auf eine Mikroantenne treffen. Diese Mikroantenne wurde zuvor durch Terahertz-Strahlung angeregt, sodass in ihrem Umkreis optische Effekte, also elektromagnetische Felder, entstanden. Gleichzeitig durchdrangen die kurzen Elektronenpulse die Antenne. An den elektromagnetischen Feldern wurden die Elektronenpulse gestreut und deren Ablenkung aufgezeichnet. Über die Ablenkung der Elektronenpulse erhielten die Forscher Auskunft über die räumliche Verteilung, die zeitliche Variation, die Richtung und die Polarisation des Lichts, das die Mikroantenne aussendete.
„Um solche elektromagnetischen Lichtfelder zu visualisieren, sind zwei Vorrausetzungen wichtig“, erklärt Dr. Peter Baum, der Leiter der Experimente. „Die Elektronenpulse müssen kürzer sein als ein Lichtzyklus. Und zudem muss die Durchgangszeit durch die zu untersuchende Struktur kürzer sein als ein Lichtzyklus.“ Die Elektronenpulse fliegen ungefähr mit halber Lichtgeschwindigkeit.
Mit ihrer erweiterten Elektronenmikroskopie haben die LAP-Physiker nun eine Grundlage geschaffen, selbst kleinste und schnellste elektromagnetische Felder exakt zu detektieren und damit besser zu verstehen, wie etwa Transistoren oder optische Schalter arbeiten und was in ihnen passiert.
Interessant ist die neue Technologie außerdem für die Entwicklung und Analyse von Metamaterialien. Metamaterialien sind künstliche Nanostrukturen, deren Durchlässigkeit für elektrische und magnetische Felder von der in der Natur üblichen grundlegend abweicht, so dass optische Phänomene entstehen, die sich mit herkömmlichen Stoffen niemals realisieren lassen. Metamaterialien eröffnen völlig neue Perspektiven in der Optik und Optoelektronik, und könnten zu wichtigen Bausteinen für lichtgetriebene Schaltkreise und Rechner der Zukunft werden. Mit ihrer Elektronenmikroskopie-Technologie tragen die LAP-Physiker dazu bei, dies alles besser zu verstehen und Realität werden zu lassen.
Thorsten Naeser