Theorie der dynamischen Quantenmaterie
Die neue unabhängige Forschungsgruppe startete im Mai 2024 und ist an die Theorieabteilung des MPQ angegliedert
Leiter: Dr. Jad C. Halimeh
Die Forschungsgruppe „Theorie der dynamischen Quantenmaterie“ ist interdisziplinär ausgerichtet und konzentriert sich auf Quantensimulation und -computing sowie auf die Dynamik quantenmechanischer Vielteilchensysteme und die statistische Mechanik fernab des Gleichgewichts. An der Schnittstelle von quantenmechanischer Vielteilchenphysik und Hochenergiephysik setzt die Gruppe auf starke numerische Methoden wie Tensor-Netzwerke und exakte Diagonalisierung. Zudem wird die Gruppe mit experimentellen Abteilungen und Unternehmen im Bereich Quantencomputing kollaborieren.

Ein zentrales Ziel der neuen Forschungsruppe ist es, exotische Dynamiken in quantenmechanischen Vielteilchensystemen zu verstehen und weiterzuentwickeln – und dabei Thermalisation zu vermeiden. Das hat zwei Gründe: Einerseits wird Thermalisation in wechselwirkenden quantenmechanischen Modellen erwartet; wenn in solchen Systemen jedoch nichtthermales Verhalten auftritt, kann dies auf interessante physikalische Phänomene hinweisen, die unser Verständnis von quantenmechanischer Thermalisation herausfordern. Andererseits ermöglicht nichtthermales Verhalten, Quanteninformationen lokal über längere Zeiträume zu speichern, was insbesondere für technologische Anwendungen wie der Quantenmetrologie und -sensorik von Bedeutung ist.
Die Forschungsgruppe nutzt eine Vielzahl von quantenmechanischen Vielteilchenmodellen, darunter Gittereichtheorien und Quantenspin-Systeme sowie das SYK-Modell, um ihre Eigenschaften fernab des Gleichgewichts und mögliche Universalität zu erforschen. Die Forschungsgruppe hat das Ziel, experimentell umsetzbare Konzepte zu entwickeln, um solche Dynamiken auf bestehender Quantenhardware zu realisieren. In den letzten Jahren gab es enorme Fortschritte bei großen analog und digital betriebenen Quantensimulatoren, die es ermöglichen, die theoretischen Konezpte im Labor zu testen und neue physikalische Phänomene auf diesen Geräten zu erforschen.
„Es entsteht eine schöne Synergie, in der unsere theoretischen Vorschläge reale Experimente erleichtern, und diese wiederum uns zu neuen physikalischen Entdeckungen führen, auf deren Basis wir dann neue Theorien entwickeln“, sagt Halimeh in Bezug auf ein Experiment, das er in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Jian-Wei Pan in Heidelberg durchgeführt hat.
Die Forschung der Gruppe wird den Weg zu einem tiefergehenden Verständnis der quantenmechanischen Vielteilchendynamik fernab des Gleichgewichts und ihrer Kritikalität ebnen, und zwar nicht nur aus theoretischer, sondern auch aus experimentell relevanter Perspektive, um solche Dynamiken auf modernsten Quanten-Geräten zu realisieren.
Jad C. Halimeh hat zudem kürzlich ERC Starting Grant für sein Projekt QuSiGauge – Quanten-Simulation von nicht-thermalisierenden Gauge-Theorien gewonnen, das sich auf neuartige Schutzmechanismen für Gauge-Theorien konzentriert, um die nächste Generation von Quanten-Simulationen in zwei räumlichen Dimensionen zu gestalten.