Johannes Zeiher startet neue Forschungsgruppe

„Schnittstellen für Quantenmaterie“ heißt die neu gegründete unabhängige Forschungsgruppe von Johannes Zeiher. Darin untersuchen er und sein Team Möglichkeiten, um Quantenmaterie in Quantensimulationen und Quantencomputing mit neutralen Atomen anzuwenden.

„Skalierbares Quantencomputing mit Neutralatomen“, kurz SNAQC, lauten Titel und Vision des ersten Projektes in der neu etablierten unabhängigen Forschungsgruppe „Schnittstellen für Quantenmaterie“ (Quantum Matter Interfaces) am MPQ. Ihr Ziel: an den technischen Hürden arbeiten, die es heute experimentell noch unmöglich machen, Quantencomputer frei zu programmieren und zu skalieren. Erste Fördermittel für seine neue Gruppe in Höhe von 3,3 Mio € konnte Forschungsleiter Johannes Zeiher jüngst in der Nachwuchsmaßnahme Quanten Futur des BMBF mit seinem Projektvorschlag „Scalable Neutral Atom Quantum Computing“ erfolgreich einwerben. Das konkrete Ziel von „SNAQC“ sind die Vorarbeiten zur Realisierung eines ersten fehlerkorrigierten logischen Qubits.
 

Fehlerkorrigierte und skalierbare Quantenrechner sind eine Schlüsseltechnologie der aktuellen „zweiten Quantenrevolution“ und versprechen große Potentiale für Anwendungen in der Finanzbranche, der Logistik oder der Quantenchemie. Ein aussichtsreicher Ansatz für die Realisierung von Quantenrechnern ist der Aufbau von Prozessoren basierend auf neutralen Atomen. Ein Ansatz, der am MPQ von mehreren Gruppen u.a. auch von der von Johannes Zeiher verfolgt wird.

Aber unabhängig von der zugrundeliegenden Technologie des Quantenprozessors (Supraleitende Qubits, gefangene Ionen oder eben neutrale Atome): der weitreichende Einsatz von Quantenrechnern wird aktuell noch verhindert durch Fehler in der Ausführung der Quantengatter, den elementaren Rechenschritten eines Quantenrechners. Durch zu große Gatterfehler werden Quantenrechnungen unzuverlässig, verlieren ihre Aussagekraft und machen den angestrebten Vorteil von Quantencomputern zur Lösung schwieriger Probleme zunichte. Für diese Fehler sind Quantenrechner aktuell noch sehr anfällig. Die sogenannte Quantenfehlerkorrektur bietet einen eleganten Ausweg aus diesem Dilemma: durch kontinuierliche und kontrollierte Messungen können Gatterfehler schon während der Laufzeit detektiert und anschließend korrigiert werden. Nichtsdestotrotz bleibt die Realisierung von fehlerkorrigierten Quantenrechnern eine Mammutaufgabe, da Quantenfehlerkorrektur ganz bestimmte Anforderungen an die Architektur von Quantenrechnern stellt.

Von der NISQ-Architektur zum fehlertoleranten Regime

Erklärtes Ziel des SNAQC-Projekts ist es, eine neuartige experimentelle Plattform für das Quantencomputing auf Basis von neutralen Atomen zu entwickeln, die einen ersten Schritt in Richtung der Quantenfehlerkorrektur geht. Eine wichtige Anforderung von Quantenfehlerkorrektur ist die schnelle und zerstörungsfreie Detektion von Qubits. SNAQC strebt an, dies in einem für Quantencomputing optimierten System neutraler Atome mit Hilfe optischer Resonatoren zu verwirklichen.  Damit führt das Projekt SNAQC die Neutralatom-Quantenrechner in Richtung des Übergangs von der NISQ-Architektur zum fehlertoleranten Regime.

Als NISQ-Computer (Noisy Intermediate Scale Quantum Computer) werden die aktuell vorherrschenden Quantenrechner bezeichnet, die bis zu einer Größe von maximal 50 Qubits auch unter der mäßigen Toleranz von Fehlern ihre Aufgaben effektiv berechnen können. Sie sind der aktuelle „State-of-Art“ des digitalen Quantencomputers, aber dennoch viele Meilensteine entfernt von der ganz großen Vision.  Neben der Fehlertoleranz ist auch die Skalierbarkeit von Neutralatom-Quantenrechnern eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Technologie für praktische und wirtschaftlich relevante Anwendungen weiter reifen kann. 

Mit seiner neuen experimentellen Plattform bildet Johannes Zeiher methodisch ein komplett neues Bindeglied am MPQ zwischen den Abteilungen von Immanuel Bloch (Quanten-Vielteilchensysteme) und der von Gerhard Rempe (Quantendynamik). Die mikroskopische Kontrolle einzelner Atome sowie die Kontrolle der Wechselwirkungen zwischen Atomen mit Hilfe hochangeregter Rydberg Zustände ist eine große Stärke der Abteilung von Immanuel Bloch, während die starke Kopplung einzelner Atome an Licht mithilfe optischer Resonatoren, u.a. zur zerstörungsfreien Detektion von Quantenteilchen, ein Steckenpferd von Gerhard Rempe und seiner Abteilung ist. Die Gruppe von Johannes Zeiher ist eine der ersten weltweit, die diese beiden unterschiedlichen Systeme zu einer neuen Methode miteinander kombiniert, und kann dabei auf eine bereits langjährige Spitzenforschung am MPQ in diesen beiden Bereichen aufbauen.

Weitere Projekte

Neben SNAQC leitet Johannes Zeiher auch weitere Projekte innerhalb der Gruppe von Immanuel Bloch am MPQ. So begann er im vergangenen Jahr nach seiner Rückkehr ans MPQ gemeinsam mit seinem Team mit dem Aufbau eines Experiments zur analogen Quantensimulation mit Strontium- -Atomen das „Strontium Rydberg Lab“ oder kurz „Sry-Lab“. Neu an diesem Experiment ist die Kombination von zwei unterschiedlichen Methoden zur Kontrolle von Atomen im Vakuum – das optische Gitter und die optische Pinzette – zu einer gemeinsamen Hybridplattform. Diese Kombination hat den entscheidenden Vorteil, dass sich ursprünglich lange Zykluszeiten eines Experiments (ca. 20 bis 25 Sekunden bis zur Neuinitialisierung des Experiments aufgrund langer Kühlzeiten) um den Faktor 100 auf 200ms reduzieren lassen und nun um ein Vielfaches mehr Messungen pro Tag durchführen können. Damit lassen sich in Quantensimulationen zum Beispiel auch extrem schwache Effekte im Zusammenspiel vieler Quantenteilchen detektieren, wodurch ein besseres Verständnis der simulierten Systeme erreicht werden kann.

Über Johannes Zeiher

Johannes Zeiher begann im Jahr 2007 sein Physikstudium an der LMU München und 2008 seine erste Tätigkeit am MPQ als Werkstudent. Nachfolgend absolvierte er einen Masterstudiengang an der Cambridge University sowie eine Promotion am MPQ. Danach hatte er Postdoc-Positionen ebenfalls am MPQ sowie an der UC Berkeley inne, bevor er Mitte 2020 für den Aufbau einer eigenen Forschungsgruppe wieder an das MPQ zurückkehrte. Dort leitet er seit Anfang des Jahres 2021 das Experiment zur Erforschung von Strontium Rydberg-Atomen und begann im Dezember 2021 das vom BMBF geförderte Projekt SNAQC in seiner unabhängigen Forschungsgruppe mit eigens eingeworbenen und unabhängig vom MPQ finanzierten Mitteln.

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