Xinyu Luo gewinnt ERC Consolidator Grant
Mit den hochdotierten Mittel wagt er sich an eine der großen Herausforderungen der modernen Physik - die Erzeugung und Erforschung von speziellen Supraflüssigkeiten.
Am 1. Mai ist ein neues unabhängiges Forschungsprojekt zu “Ultrakalten Lithium-Rubidium-Molekülen” am MPQ gestartet. Dr. Xinyu Luo, Forschungsgruppenleiter in der Gruppe Quanten-Vielteilchensysteme, hat dafür den renommierten Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) in Höhe von zwei Millionen Euro eingeworben. Diese Mittel wird er einsetzen, um eine neue Spezies an polaren Molekülen bei bisher unerreichten Tieftemperaturen nur noch wenigen Nanokelvin über dem absoluten Nullpunkt zu erzeugen. Diese fermionischen Moleküle können sich in einer Drehbewegung zu Paaren zusammenschließen und sich ohne Widerstand bewegen. Sie formen dabei eine sogenannte p-Wellen-Supraflüssigkeit, die reibungsfrei fließt, und bei starker dipolarer Anziehung sogar ein Bose-Einstein-Kondensat aus vieratomigen Supermolekülen. Beides sind exotische Quantenmaterien, nach denen die Wissenschaft schon lange gesucht hat. Diese Ergebnisse könnten es möglich machen, fehlertolerante Quantenrechneer auf Basis von ultrakalten Molekülen zu bauen, oder auch Licht ins Dunkel ungelöster Fragen der Physik werfen - zum Beispiel wie sich Helium-3-Supraflüssigkeiten und Hochtemperatur-Supraleiter verhalten - oder die Entwicklung von Neutronensternen aufdecken.
Was haben Helium-3-Supraflüssigkeiten, Hochtemperatursupraleiter und die Kerne von Neutronensternen trotz ihrer enormen Unterschiede in Temperatur, Dichte und Zusammensetzung gemeinsam? Sie alle sind (oder so wird es zumindest prognostiziert) Supraflüssigkeiten, die aus Fermionen - also Teilchen mit halbzahligem Spin – bestehen. Insbesondere paaren sich die Fermionen in diesen Supraflüssigkeiten mit einem Drehimpuls von ungleich Null, ein Merkmal, das sich von der s-Wellen-Paarung (Drehimplus von null) in herkömmlichen Supraleitern unterscheidet. Diese exotischen Supraflüssigkeiten sind oft hochgradig complex, so wie die Hochtemperatursupraleiter, und einige, wie die Lichtjahre entfernten Neutronensterne, können wir experimentell nicht untersuchen, so dass viele ihrer Rätsel ungelöst bleiben. Diese Supraflüssigkeiten wirklich zu verstehen, ist eine der zentralen Herausforderungen der modernen Physik.
Ein Weg zur Entschlüsselung der quantenmechanischen Mysterien hinter der Suprafluidität sind polare Moleküle. Polare Moleküle haben - daher auch der Name - eine ungleiche Ladungsverteilung und verhalten sich wie winzige Magneten durch dipolare Wechselwirkungen. Bei ausreichend niedrigen Temperaturen können sie sich in einer Drehbewegung zu p-Wellen-Supraflüssigkeiten zusammenschließen. Die Vorteile von Molekülen liegen in ihren hochgradig abstimmbaren Wechselwirkungen, die durch elektrische Mikrowellenfelder gesteuert werden sowie in ihrer Einfachkeit. Das ermöglicht es den Wissenschaftlern, p- Wellen-Suprafluidität mit minimalen Elementen zu realisieren und dadurch auch leichter die wesentlichen physikalischen Mechanismen zu erfassen und zu überprüfen. Die Erkenntnisse, die wir aus solchen einfachen und gut kontrollierbaren Quantensimulatoren gewinnen, können uns wiederum dabei helfen, komplexere Supraflüssigkeiten zu verstehen und zu entwerfen. Einige dieser exotischen Supraflüssigkeiten können topologisch nicht-triviale Zustände annehmen, die wenig störanfällig sind und sich somit potentiell zum fehlertoleranten Quantencomputing mit polaren Molekülen eignen.
“Eine neue Spezies polarer Moleküle zu erzeugen ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Das Verhalten einer p-Wellen-Superflüssigkeit mit starken dipolaren Wechselwirkungen könnte ebenfalls weit jenseits der Vorstellungskraft liegen, ganz zu schweigen von einem Bose-Einstein-Kondensat aus tetratomischen Supermolekülen. Der ERC Consolidator Grant ist für uns also sehr wichtig, um dieses risikoreiche und aber sehr aussichtsreiche Forschungsprojekt umzusetzen. In den letzten Jahren haben wir bereits mehrere gleichermaßen ehrgeizige Spitzenforschungsprojekte in diesem Bereich umgesetzt, auf die wir jetzt bauen können”, sagt Dr. Xinyu Luo, der Gruppenleiter des Projekts. Er und sein Team haben in den letzten Jahren eine Reihe aufregender Durchbrüche erzielt, darunter das erste entartete Fermi-Gas aus Natrium-Kalium-Molekülen, universelle Streuresonanzen polarer Moleküle und ultrakalte tetratomische Supermoleküle.
Die neue Forschungsgruppe hat offene Stellen für Masterstudenten, Doktoranden und einen Postdoktoranden. Interessierte Bewerber können sich direkt per E-Mail an Dr. Xinyu Luo wenden.