Neue Quantenphase mit kalten Atomen simuliert

Erstmals haben Wissenschaftler:innen die Mott-Meissner-Quantenphase realisiert – und das in einem bislang unerreicht großen System.

Forschenden vom MPQ und der LMU München unter der Leitung von Monika Aidelsburger und Immanuel Bloch ist es gelungen, eine stark wechselwirkende Quantenphase – die sogenannte Mott-Meissner-Phase – experimentell nachzuweisen. Diese Phase entsteht unter dem kombinierten Einfluss starker Wechselwirkungen und eines künstlichen Magnetfelds. Mithilfe eines neuen Quantengasmikroskops für Cäsium konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Vielteilchenzustände mit mehr als 24 Teilchen auf 48 Gitterplätzen einer sogenannten Flussleiter-Geometrie präparieren und untersuchen. Die Ergebnisse bedeuten einen Durchbruch: Frühere Experimente mit wechselwirkenden Teilchen in künstlichen Magnetfeldern waren auf Systeme mit höchstens zwei Teilchen beschränkt. Die neue Arbeit eröffnet die Möglichkeit, komplexe Quanteneffekte wie den fraktionellen Quanten-Hall-Effekt mit mikroskopischer Präzision zu untersuchen.

Zu den faszinierendsten Phänomenen der Quantenphysik zählen jene, die aus der kollektiven Wechselwirkung vieler Teilchen hervorgehen. Solche Vielteilchensysteme zeigen exotische Zustände wie Supraleitung, Mott-Isolatoren oder den fraktionellen Quanten-Hall-Effekt – Zustände, die in Systemen ohne Wechselwirkung nicht auftreten. Die extreme Komplexität dieser Systeme macht numerische Simulationen jedoch schwierig: Bereits bei wenigen Teilchen stoßen herkömmliche Computer an ihre Grenzen. Eine Alternative bieten Quantensimulatoren auf Basis ultrakalter Atome in optischen Gittern: Sie ermöglichen es, die relevante Physik in einem kontrollierten und reinen System nachzubilden und so quantenmechanische Vielteilchenphänomene mit außergewöhnlicher Präzision zu untersuchen.

Ein besonders spannendes Beispiel für solche Vielteilchenphasen liefert der fraktionelle Quanten-Hall-Effekt, bei dem starke Wechselwirkungen und Magnetfelder neue Materiezustände hervorbringen. In Systemen mit kalten Atomen treten starke Wechselwirkungen natürlicherweise auf – im Gegensatz zu echten Magnetfeldern: Da Atome elektrisch neutral sind, koppeln sie nicht direkt an Magnetfelder wie Elektronen in Festkörpern. Um dieses Problem zu umgehen, nutzen Forschende Methoden wie das Floquet-Engineering: Durch schnelles periodisches Schütteln des optischen Gitters lassen sich die Eigenschaften des Systems gezielt verändern – etwa, um ein künstliches Magnetfeld zu erzeugen.

Von zwei zu vierundzwanzig Teilchen

Das periodische Anregen des Systems hat allerdings seinen Preis: Da die Energieerhaltung im geschüttelten System nur eingeschränkt gilt, können Atome Energie aufnehmen – das führt oft zu unerwünschter Erwärmung. Empfindliche Quantenzustände gehen dabei schnell verloren. Bislang waren Experimente mit wechselwirkenden Teilchen in künstlichen Magnetfeldern deshalb auf sehr kleine Systeme beschränkt – meist mit nur zwei Teilchen.

Das Team von LMU und MPQ konnte diesen Engpass nun überwinden: Mit Hilfe des neuen Cäsium-Quantengasmikroskops haben sie Viele-Teilchen-Zustände mit mehr als 24 Atomen auf einer zweibeinigen Gitterstruktur – einem sogenannten Fluxleiter – realisiert. Unter Einfluss eines synthetischen Magnetfelds zeigte sich dort eine Mott-Meissner-Phase: ein Zustand mit homogener Dichte aufgrund starker Wechselwirkungen (also ein Mott-Isolator), überlagert von kreisförmigen Teilchenströmen.

Quantengase unter dem Mikroskop

Mit einer neu entwickelten Methode konnten die Forschenden diese lokalen Ströme mit Einzelplatzauflösung sichtbar machen. Durch das gezielte Variieren der Wechselwirkungen untersuchten sie außerdem, wie sich die Ströme bei verschiedenen Bedingungen verändern. Das Verhalten unterschied sich dabei deutlich von nicht-wechselwirkenden Systemen und stimmte gut mit theoretischen Vorhersagen überein – ein klarer Hinweis darauf, dass ein echtes Vielteilchensystem erreicht wurde. Darüber hinaus konnte das Team die Temperatur ihres Quantensimulators bestimmen – und damit neue Maßstäbe für die Simulation stark korrelierter Phasen mit neutralen Atomen und künstlichem Magnetfeld setzen.

Die Arbeit eröffnet neue Wege, um exotische Quantenzustände im Detail zu untersuchen – darunter auch den fraktionellen Quanten-Hall-Effekt mit seinen besonderen Eigenschaften wie anyonischen Anregungen, langreichweitiger Verschränkung und topologischer Ordnung. Solche Studien vertiefen nicht nur unser Verständnis grundlegender Quantenphysik, sondern könnten auch technische Anwendungen ermöglichen – etwa im Bereich fehlertoleranter Quantencomputer.

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