Physik-Nobelpreis für Ferenc Krausz!

Mitbegründer der Attosekundenphysik gewinnt den wichtigsten Preis der Wissenschaft

Ferenc Krausz, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), erhält gemeinsam mit Pierre Agostini von der Ohio State University (USA) und Anne L’Huillier von der Universität Lund (Schweden) den Nobelpreis für Physik 2023. Das Nobel-Komitee zeichnet die beiden Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin für die Begründung der Attosekundenphysik aus. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstel Sekunde. Mit Laserpulsen, die nur einige Attosekunden dauern, lassen sich die Bewegungen einzelner Elektronen verfolgen. Dies ermöglicht nicht nur fundamentale Erkenntnisse über das Verhalten von Elektronen in Atomen, Molekülen und Festkörpern, sondern könnte unter anderem auch dazu beitragen, die heutige Elektronik hunderttausendfach zu beschleunigen. 

Im Jahr 2001 erzeugte Ferenc Krausz erstmals Lichtpulse im Attosekundenbereich (1 Attosekunde entspricht 10-18 Sekunden), deren Anwendung für die Beobachtung von Elektronenbewegungen in Atomen die Wissenschaftsmagazine Nature und Science als eine der zehn wichtigsten naturwissenschaftlichen Errungenschaften des Jahres 2002 auszeichneten.

Die Grundlage dafür legten Ferenc Krausz und sein Landsmann Robert Szipöcs mit der Entwicklung von Spiegeln, mit denen sich extrem intensive Laserpulse aus wenigen Schwingungen einer Lichtwelle erzeugen lassen. Im Jahr 2002 gelang es Ferenc Krausz und Theodor Hänsch, der auch Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und Professor an der LMU ist, mit dessen ebenfalls nobelpreisgekrönter Frequenzkamm-Technik nicht nur die Intensität von Lichtpulsen, sondern auch die Phase, also den genauen Verlauf einer Lichtwelle zu kontrollieren.

Mit solchen intensiven, perfekt kontrollierten Lichtpulsen, die allerdings noch einige Femtosekunden dauerten, übten die Forscher um Ferenc Krausz auf elektrisch geladene Teilchen wie Elektronen und Protonen Kräfte aus, die den inneratomaren Kräften entsprechen. Sie schossen diese Lichtpulse nun auf Edelgasatome und zerrten mit den starken elektromagnetischen Feldern der Blitze Elektronen aus den Elektronenhüllen der Atome. Werden die Elektronen wieder eingefangen, geben die Atome Blitze von wenigen 100 Attosekunden ab. Inzwischen blitzen die kürzesten Lichtpulse für weniger als 100 Attosekunden auf.

Mit der Attosekundenphysik zu einer schnelleren Elektronik

Mit den extrem kurzen Laserblitzen haben die Forscher um Ferenc Krausz viele neue Einsichten in das Verhalten von Elektronen gewonnen. So haben sie Elektronen etwa bei dem quantenmechanischen Prozess des Tunnelns beobachtet. Dabei durchdringen die Ladungsträger eine Energiebarriere, die sie nach den Gesetzen der klassischen Physik nicht überwinden könnten. Den quantenmechanischen Tunneleffekt nutzen etwa Rastertunnelmikroskope und Flash-Speicher, auf denen Daten etwa in USB-Sticks untergebracht werden. Ein besseres Verständnis des Tunneleffekts kann helfen, seine technische Anwendung zu verbessern.

Von grundlegender Bedeutung war die Beobachtung des positiv geladenen Lochs, das ein Elektron in einem Edelgasatom hinterlässt. In dem Experiment der Forscher besetzten bestimmte Elektronen der Edelgasatome in einem sogenannten Überlagerungszustand zunächst gleichzeitig zwei Orbitale – das sind der Quantenmechanik zufolge die Aufenthaltsräume der Elektronen. Wenn ein solches Elektron mit einem starken Laserpuls nun aus dem Atom herauskatapultiert wird, bleibt ein pulsierendes Loch zurück. Das Pulsieren haben die Physiker um Ferenc Krausz mit einem nur 150 Attosekunden langen Puls von extrem kurzwelligem ultraviolettem Licht direkt beobachtet, also quasi gefilmt.

Inzwischen verfolgen die Physiker die Bewegung von Elektronen auch in Metallen. So haben sie etwa beobachtet, wie schnell Elektronen einzelne Atomlagen durchqueren. Derartige Einsichten tragen dazu bei, schneller elektronische Schaltelemente zu entwickeln.

Das hohe Anwendungspotential der Attosekunden-Laserpulse wird inzwischen in dem Exzellenzcluster Munich-Centre for Advanced Photonics (MAP) erforscht, einem Forschungsverbund aus LMU, der Technischen Universität München (TUM) und dem MPQ. Ziel ist es, ein Licht auf die Geheimnisse der mikroskopischen Bewegungen zu werfen und neue biomedizinische Techniken für das neue Centre for Advanced Laser Applications (CALA) zu entwickeln, das derzeit auf dem Forschungscampus Garching errichtet wird.

Über Ferenc Krausz

Geboren 1962 in Mór (Ungarn), studierte Ferenc Krausz Elektrotechnik an der Technischen Universität Budapest und Theoretische Physik an der Eötvös-Loránd Universität in Budapest. 1991 promovierte er in Quantenelektronik an der Technischen Universität Wien, an der er nur zwei Jahre später auch habilitierte. Von 1999 an war er Professor an der Technischen Universität Wien, im Jahr 2000 wurde er Direktor am Zentrum für „Advanced Light Sources“. 2003 folgte Prof. Krausz dem Ruf als Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik, an dem er die Abteilung Attosekundenphysik leitet. Seit 2004 hat er einen Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Prof. Krausz hat bereits zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten, so im Jahr 2005 den Gottfried Wilhelm Leibniz Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Im Jahr 2006 bekam er den Quantum Electronics Award der IEEE Laser und Electro-Optics Society sowie die „Progress Medal“ der britischen Royal Photographic Society. Im Jahr 2011 wurde ihm das „Verdienstkreuz am Bande“ der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Im Januar 2013 erhielt er den King Faisal International Award, im August desselben Jahres wurde er mit dem Otto-Hahn-Preis ausgezeichnet, der gemeinsam von der Stadt Frankfurt, der Gesellschaft Deutscher Chemiker und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vergeben wird.

Prof. Ferenc Krausz ist ferner Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Vereinigungen und Akademien, etwa der Österreichischen und der Ungarischen Akademie der Wissenschaften oder der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Salzburg. 2012 wurde er in die Russische Akademie der Wissenschaften sowie in die Academia Europaea aufgenommen.

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