Atome zu einem neuen molekularen Fermi-Gas verkuppelt
Forscher schaffen erstmals ein entartetes Fermi-Gas aus Molekülen während eines Quantenphasenübergangs
Forscher am MPQ haben ein erstmals entartetes Fermi-Gas aus Natrium-Kalium-Molekülen erzeugt. Dazu führten sie ein Bose-Fermi-Atomgemisch durch einen bislang hypothetischen Quantenphasenübergang. Der Trick des Teams besteht darin, die Dichten eines Bose-Einstein-Kondensats (BEC) aus Natrium-Atomen und eines Fermi-Gases aus Kalium-Atomen aneinander anzugleichen. Dadurch lassen sich die Verluste bei Kollisionen der Atome während des Zusammenfügens verringern, die bislang das Entstehen von entarteten molekularen Fermi-Gasen verhinderten. Die Arbeit ist ein wichtiger Schritt zur Erzeugung großer und stabiler Quantengase aus polaren Molekülen und ebnet den Weg zu einem besseren Verständnis stark wechselwirkender Bose-Fermi-Atomgemische.
Vor rund drei Jahrzehnten gelang es Physikern erstmals, ein quantenentartetes Gas aus Atomen herzustellen: ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat. Seither ringen die Forscher darum, auch Moleküle im Grundzustand so weit abzukühlen, dass sie quantenentartete Eigenschaften zeigen. Denn Grundzustandsmoleküle weisen ein großes Dipolmoment und viele innere Freiheitsgrade, wodurch sie sich gut für den Einsatz in Quantensimulationen, Quantencomputern oder für chemische Prozesse bei ultratiefen Temperaturen eignen. Zudem ließen sich damit fundamentale physikalische Symmetrien überprüfen. Allerdings ist es aufgrund der komplexen Struktur von Molekülen schwierig, sie auf direkte Weise abzukühlen. Daher setzte ein Team von Forschern am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching auf einen anderen Ansatz, um quantenentartete Grundzustandsmoleküle zu erhalten.
Der Engpass: dichte Bosonen und verdünnte Fermionen
Die Wissenschaftler um Dr. Xin-Yu Luo, Leiter des Labors für ultrakalte polare Moleküle in der Abteilung für Quanten-Vielteilchensysteme, kehrten die Reihenfolge des Vorgehens um und setzten die Moleküle aus Atomen zusammen, die sie zuvor in den quantenentarteten Bereich abgekühlt hatten. Allerdings genügte das nicht. „Obwohl wir die Vorteile leistungsfähiger Kühltechniken für Atome genutzt haben, waren die verbleibenden Herausforderungen beim Zusammenbau von Atomen größer als wir erwartet hatten", berichtet Luo: „und das sowohl im Experiment als auch mit Blick auf das theoretische Verständnis.“
Auf der experimentellen Seite begrenzen Verluste zwischen den einzelnen Arten von Atomen die Effizienz beim Zusammenfügen von Molekülen aus ultrakalten Atomen über eine so genannte Feshbach-Resonanz. Eine solche Resonanz tritt auf, wenn die Energie eines schwach gebundenen Molekülzustands nahe an der Summe der Energien von zwei streuenden Atomen liegt, was die Anziehung zwischen den beiden Atomen verstärkt. „Besonders hohe Verluste treten auf, wenn mit einer Mischung aus bosonischen und fermionischen Atomen gearbeitet wird“, erklärt Luo. „Denn in der Nähe des absoluten Nullpunkts kondensieren die bosonischen Atome mit einer viel höheren Dichte als die fermionischen, die aufgrund der Pauli-Blockierung vergleichsweise stark verdünnt sind.“ Das führt zu starken Kollisionsverlusten zwischen überschüssigen Bosonen und frisch gebildeten Molekülen.
In der Theorie wurde bereits seit etlichen Jahren diskutiert, wie sich eine Mischung aus einem Bose-Einstein-Kondensat und einem Fermi-Gas trotzdem effizient zu Molekülen assoziieren lässt. Vereinfachte Modelle, die nur die Wechselwirkung zweier Teilchen berücksichtigen, sagten eine verschwindende Effizienz bei einer Temperatur von null Grad voraus, was im Jargon der theoretischen Physik auf eine geringe Überlappung von Bosonen und Fermionen im Phasenraum zurückzuführen ist. „Daher ist die gemeinsame Wirkung vieler Atome notwendig, um eine effiziente Bildung von Molekülen in einem Bose-Fermi-Gemisch nahe dem absoluten Nullpunkt zu ermöglichen“, folgert Luo.
Großes molekulares Fermi-Gas aus dichte-angepassten Atomen
Das Team am MPQ arbeitet bereits seit mehr als einem Jahrzehnt an der Umsetzung dieses Konzepts zur Herstellung eines entarteten Gases aus Natrium-Kalium-Molekülen. „Lange Zeit sind wir dabei an den starken Kollisionsverlusten in doppelt entarteten Mischungen gescheitert", berichtet Dr. Marcel Duda, ein ehemaliger Doktorand im Team von Xin-Yu Luo. Deshalb haben wir systematisch verschiedene Kollisionen zwischen Atomen und Molekülen untersucht, um herauszufinden, wo der Engpass liegt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse konnten die Forscher eine einfache Technik entwickeln, um die Dichte des BEC zu reduzieren und sie mit Hilfe einer an bestimmte Atomsorten angepassten Dipolfalle an die Dichte des Fermi-Gases anzupassen. „Das ermöglicht es uns, die Verluste zu eliminieren und so 80 Prozent des Bose-Einstein-Kondensats in Molekülen zu verbinden“, sagt Duda. Die Temperatur dieser sogenannten Feshbach-Moleküle liegt deutlich unter der Fermi-Temperatur, bei der Quanteneffekte zu dominieren beginnen. "Während wir wie auch viele andere Labors damit zu kämpfen hatten, in das quantenentartete Regime zu gelangen, ist die Lösung der Dichteanpassung ganz einfach", freut sich Duda. „Jetzt können wir routinemäßig 50.000 bis 70.000 Natrium-Kalium-Feshbach-Moleküle herstellen.“ In einem letzten Schritt werden diese Feshbach-Moleküle dann mit der sogenannten Stimulated Raman Adiabatic Passage-Technik in den Grundzustand überführt, in dem sie ein großes permanentes Dipolmoment aufweisen.
Ein guter Maßstab für die weitere Modellierung
„Die nahezu einheitliche sogenannte Assoziationseffizienz zeigt uns deutlich, dass der Aufbau einer doppelt entarteten Bose-Fermi-Mischung kein Zweikörperprozess sein kann“, resümiert Xin-Yu Luo. Stattdessen stimmten unsere Messungen gut mit einem Modell überein, das einen Quantenphasenübergang von einer polaronischen zu einer molekularen Phase vorhersagt. „Wenn die Anziehung zwischen Bosonen und Fermionen schwach ist, kann die Mischung qualitativ als Kondensat von Fermi-Polaronen verstanden werden - Quasiteilchen, bei denen die Wechselwirkung zwischen den Bosonen und den sie umgebenden Fermionen zu einer Art Wolken um die Bosonen führt", erklärt Jonas von Milczewski, Doktorand in einer der Theoriegruppen am MPQ um Prof. Dr. Richard Schmidt. Das Kondensat verschwindet somit in der Nähe der vorhergesagten kritischen Stärke der Wechselwirkung, bei der sich alle Bosonen mit den Fermionen zu Molekülen verbinden. Die Folge: Das System geht in ein Fermi-Gas aus Feshbach-Molekülen über. „Die Übereinstimmung zwischen unseren Messungen und dem Modell stellt einen wichtigen Maßstab für die Modellierung stark wechselwirkender, doppelt entarteter Bose-Fermi-Mischungen dar“, erklärt Luo.
Das könnte die Physiker den Antworten auf viele offene Fragen über den zugrundeliegenden Quantenphasenübergang näherbringen. Dazu gehören die Frage nach der Ordnung des Phasenübergangs sowie nach Hysterese-Effekten und der Dynamik während des Übergangs. Da dessen kritischer Punkt von der Dichte abhängt, wird das Signal in der Nähe des kritischen Punkts durch die unterschiedlichen Dichten des von Xin-Yu Luo und seinem Team verwendeten, in einer harmonischen Falle eingeschlossenen Gemischs verwischt. Die Forscher wollen dieses Hemmnis nun durch ein sogenanntes Kastenpotenzial überwinden. „Wenn man ein Gemisch aus Millionen von Atomen in einer Kastenfalle einschließt, kann man auch ein viel größeres Fermi-Gas erzeugen, das aus etwa einer Million Molekülen besteht“, sagt Prof. Dr. Immanuel Bloch, Direktor der MPQ-Abteilung Quantenvielteilchensysteme. „Das kann eine hervorragende Ausgangsbedingung für die Verdampfungskühlung von Molekülen bis zu einem tief entarteten Regime sein, was die Untersuchung stark wechselwirkender dipolarer Quantengase erleichtern würde.“