Quantenkarten für Moleküle
Eine neue fermionenbasierte Methode ebnet den Weg für zukünftige Quantensimulationen komplexer Moleküle.
Forschende am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) haben gemeinsam mit dem Chemieunternehmen Covestro eine Methode entwickelt, um chemische Modelle auf fermionischen Quantensimulatoren abzubilden. Der große Vorteil: Die im Labor erzeugten energetischen Zustände folgen denselben physikalischen Gesetzen wie die Elektronen – und spiegeln damit direkt das Verhalten der simulierten Moleküle wider. Dem Team gelang es, quantenchemische Algorithmen auf einen fermionischen Quantensimulator zu übertragen, ein wichtiger Meilenstein für den Einsatz von Quantencomputern in der Chemie.

Ob in der Pharmaindustrie, Materialwissenschaft oder Energietechnik – präzise Simulationen molekularer Prozesse könnten große Fortschritte ermöglichen. Doch klassische Computer stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn sie große und komplexe Moleküle modellieren sollen – vor allem, wenn es um die Berechnung von Grundzustandsenergien und Reaktionsverläufen geht. Quantencomputer bieten theoretisch ein Lösung, sind aber mit eigenen Herausforderungen verbunden. Besonders schwierig ist es, die fermionische Natur von Elektronen abzubilden. Denn Fermionen – die Bausteine der Materie – gehorchen bestimmten Symmetrien, die sich nur mit hohem Rechenaufwand erfassen lassen.
Genau dieses Problem haben die Forschenden von MPQ und Covestro in Angriff genommen. Ihr Ansatz überträgt quantenchemische Algorithmen auf fermionische Quantensimulatoren – Systeme aus neutralen ultrakalten Atomen in optischen Gittern. Im Gegensatz zu spinbasierten Quantencomputern respektieren diese Simulatoren die fermionischen Symmetrien von Natur aus. Das macht es einfacher, komplexe Moleküle präzise zu simulieren.
Automatisierte Generierung von Quantenschaltkreisen

Kern der Methode ist ein automatisiertes System, das einen molekularen Hamiltonian – die mathematische Beschreibung der Energie eines Moleküls – in eine Abfolge von Operationen übersetzt, die ein Quantensimulator ausführen kann. Die Forschenden fanden heraus, dass sich etablierte quantenchemische Algorithmen problemlos auf fermionische Plattformen übertragen lassen, da sie natürliche Wechselwirkungen wie lokale Kopplungen und atomare Bewegung direkt nutzen.
Durch das gezielte Anwenden von einigen Dutzend Wechselwirkungs- und Tunnelimpulsen auf einen einfachen Ausgangszustand im optischen Gitter erzeugt der „Ansatz“ – eine sorgfältig gewählte Abfolge von Gattern – einen Quantenzustand, der dem Grundzustand des jeweiligen Moleküls sehr nahe kommt. Erste Testschaltkreise für kleine Moleküle wie H4, H2O und HF wurden erfolgreich entwickelt und auf die derzeitige und künftige Hardware am MPQ abgestimmt.
Quantenchemie zum Leben erwecken
Die neue Methode ist ein großer Forstschritt, doch zwei Herausforderungen müssen noch gemeistert werden, bevor sie für reale chemische Probleme einsetzbar ist. Zum einen muss das Team nachweisen, dass sich fermionische Bewegungs-Gatter mit hoher Präzision auf der Skala einzelner Gitterplätze realisieren und steuern lassen. Zum anderen müssen die Datenraten erheblich wachsen, um industrielle Optimierungsaufgaben in praktikabler Zeit zu bewältigen.
Trotz dieser Hürden zeigt die Arbeit der Forschenden einen klaren Weg auf, wie sich molekulare Simulationen mit ultrakalten Atomen verwirklichen lassen. „Wir haben detaillierte Fehlerabschätzungen vorgenommen und praktische Schritte für die experimentelle Umsetzung dieser Simulationen erarbeitet. Diese Roadmap könnte die Entwicklung von quantenchemischen Simulationen in realen Anwendungen deutlich beschleunigen“, erklärt Philipp Preiss, Senior-Autor der Studie. In den nächsten Experimenten liegt der Fokus darauf, die Präzision der Gatter weiter zu verbessern und die Simulationsgenauigkeit zu erhöhen – mit dem Ziel, in den kommenden Jahren immer komplexere molekulare Systeme zu modellieren.
Quantenphysik und Quantenchemie Hand in Hand
Philipp Preiss betont die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit: „Es war anfangs eine Herausforderung, eine gemeinsame Sprache zu finden. Doch sobald wir die richtigen Verbindungen zwischen Theorie und Experiment erkannt hatten, ging es schnell voran. Dieses Projekt zeigt das enorme Potenzial von Quantensimulatoren für die Chemie.“
Das MPQ-Team hofft, dass ihre Methode schon bald präzise Simulationen komplexer molekularer Systeme mit ultrakalten Atomen ermöglichen wird – mit vielversprechenden Anwendungen in der Arzneimittelentwicklung, Materialforschung und nachhaltigen Energietechnologien.