Quantenvorteil in Sichtweite: Quantensimulatoren zeigen Toleranz gegenüber Fehlern

Theoretiker konnten nachweisen, dass analoge Quantensimulatoren bei der Lösung bestimmter Probleme in der Vielteilchenphysik selbst im Angesicht von Fehlern besser abschneiden als klassische Computer. Praktischer Quantenvorteil rückt damit in greifbare Nähe.

28. Oktober 2024

Theoretiker des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) sind auf dem Gebiet der Quanteninformatik einen großen Schritt vorangekommen. Es geht um eine altbekannte Frage: Können Quantencomputer trotz Fehlern komplexe Probleme besser lösen als klassische Computer? In einer neuen Studie zu analogen Quantensimulatoren – spezielle Quantengeräte, die physikalische Systeme imitieren können – haben die Forscher genau das gezeigt: auch beim Vorhandensein von Systemfehlern bleiben Simulatoren stabil bleiben und liefern akkurate Ergebnisse. Diese Erkenntnis gilt als Durchbruch, denn sie deutet darauf hin, dass ein praktischer Quantenvorteil, bei dem Quantencomputer klassischen überlegen sind, früher in Reichweite sein könnte als bisher angenommen. Die Arbeit erschien kürzlich im Fachmagazin Nature Communications.

Einige der verfügbaren Quanten-Hardware-Plattformen sind zwar noch nicht in der Lage, vollständig fehlertolerante Quantenberechnungen durchzuführen, können aber als analoge Quantensimulatoren zur Lösung von Vielteilchenproblemen eingesetzt werden. Diese Simulatoren funktionieren, indem sie einen Ziel-Hamiltonian, eine mathematische Darstellung der Energie in einem System, durch ein experimentell kontrollierbares Quantensystem imitieren. Eine der größten Schwierigkeiten bei Quantensimulatoren ist der Umgang mit Fehlern – Unzulänglichkeiten im System, die zum Beispiel durch Dekohärenz, Atomverluste oder Änderungen der atomaren Energieniveaus verursacht werden – die zu ungenauen Ergebnissen führen können. Im Gegensatz zu vollständig fehlertoleranten Quantencomputern, die bisher nur in der Theorie existieren, verfügen analoge Quantensimulatoren über keinerlei Fehlerkorrekturmechanismen. Dies hat Bedenken aufgeworfen, wie zuverlässig ihre Ergebnisse sind und inwieweit sie die Leistung klassischer Computer übertreffen und einen Quantenvorteil erreichen können.

Eine Gruppe aus drei Theoretikern am MPQ, Rahul Trivedi, Ignacio Cirac und Adrian Franco Rubio, hat sich dieser Frage angenommen und einen neuen Ansatz entwickelt, um die Stabilität von Quantensimulatoren bei gleichzeitiger Anwesenheit von Fehlern zu analysieren. Üblicherweise begegnet man dem Rauschen von Quantengeräten mithilfe von fehlerkorrigierten Codes, die Informationen redundant in mehr Qubits abspeichern als es in einem rauschfreien Gerät nötig wäre. Damit versucht man die Auswirkungen des Rauschens abzumildern. Die Wissenschaftler wählen hier jedoch einen anderen Weg, indem sie ein von der Systemgröße unabhängiges Maß für die Stabilität sowohl in Gaußschen Fermionenmodellen als auch in Quantenspinsystemen bestimmen. Bemerkenswerterweise ergaben die Untersuchungen, dass diese Modelle, auch solche mit langreichweitigen Korrelationen, von denen man normalerweise angenommen hatte, dass sie empfindlich auf Störungen reagieren, stabil bleiben können. Dank dieser Stabilität kann ein Quantensimulator physikalische Eigenschaften, zum Beispiel an der thermodynamischen Grenze, genau berechnen, ohne dass eine explizite Fehlerkorrektur erforderlich wäre.

Zusätzlich zu dieser inhärenten Resilienz gegenüber Systemfehlern untersuchte das Team auch das Potenzial für einen Quantenvorteil – der Punkt, an dem Quantensimulatoren Probleme effizienter lösen können als klassische Algorithmen. Durch die Analyse des Rechenaufwands, der erforderlich ist, um eine bestimmte Genauigkeit im thermodynamischen Grenzbereich zu erreichen, fanden sie heraus, dass Quantensimulatoren tatsächlich superpolynomische bis exponentielle Geschwindigkeitsvorteile gegenüber klassischen Methoden bieten können. Dies gilt insbesondere für Vielteilchenprobleme, bei denen klassische Ansätze aufgrund der immer höheren Genauigkeitsanforderungen nicht mehr praktikabel sind.

Rahul Trivedi, Forschungsgruppenleiter in der Abteilung von Ignacio Cirac und einer der Hauptautoren, kommentierte die Ergebnisse: „Unsere Arbeit zeigt, dass wir selbst bei Vorhandensein von Fehlern, die in aktuellen Quanten-Hardware-Systemen unvermeidlich sind, noch zuverlässige Ergebnisse erzielen können. Dies ebnet den Weg für einen praktischen Quantenvorteil in der nahen Zukunft, wo Quantengeräte reale Probleme lösen können, die klassische Computer nicht lösen können.”

Die Auswirkungen dieser neuen Ergebnisse könnten fast alle Fragen in der Vielteilchenphysik betreffen, darunter Probleme in der Physik kondensierter Materie, in der Hochenergiephysik wie der Gittereichtheorie oder in der Quantenoptik, um nur einige zu nennen. Die Erkenntnis, dass analoge Simulatoren auch bei Fehlern stabil bleiben, deutet darauf hin, dass sie bereits jetzt probate Rechengeräte für die Lösung komplexer Vielteilchenfragen sind, die in vielen Bereichen der Physik auftreten. Darüber hinaus würden neue technologische Fortschritte bei den Rauschraten von Quantensimulatoren deren Präzision in einem Maße verbessern, mit dem klassische Computer nur schwer mithalten können, was in naher Zukunft zu einem Quantenvorteil führen könnte, prognostizieren die Wissenschaftler.

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