Relativistisch genau

Ein Forschungsteam hat den geografischen Höhenunterschied zwischen München und Braunschweig mit den genauesten Uhren der Welt gemessen.

In München vergeht die Zeit schneller als in Braunschweig – zumindest physikalisch ist dies nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie Fakt. Der Unterschied hat damit zu tun, dass München geografisch höher liegt, und ist mit rund einer Sekunde in einer Million Jahren zwar winzig, lässt sich aber mit optischen Atomuhren sehr genau messen. Derartige chronometrische Höhenmessungen haben ein revolutionäres Potential für die Messung und Beobachtung der Erde. Forschende des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ), der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und der Leibniz-Universität Hannover (LUH) und haben nun mit zwei optischen Uhren den Höhenunterschied zwischen München und Braunschweig gemessen. Ihr Fachartikel erschien in der Zeitschrift Physical Review Applied.

Im norddeutschen Flachland vergeht die Zeit langsamer als im einige hundert Meter höher gelegenen München, denn man befindet sich dort ein bisschen näher an der Erde. Näher an einem massiven Körper (wie der Erde) vergeht die Zeit langsamer. Dieser relativistische Effekt ist eine der Kernvorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und wurde ab der Mitte des letzten Jahrhunderts vielfach experimentell überprüft. An unterschiedlichen Orten auf der Erde ist der Unterschied jedoch so gering, dass er sich nur mit den genauesten Uhren messen lässt: Atomuhren. Allerdings ist es schwierig– insbesondere über große Entfernungen – schwierig, die Uhren an den beiden Orten zu verbinden, um ihren Takt zu vergleichen.

Die Lösung sind optische Atomuhren, die über Glasfasern miteinander verbunden sind. Christian Lisdat, Arbeitsgruppenleiter der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, erklärt: „Über das sogenannte chronometrische Nivellement können wir die Unterschiede im Schwerefeld der Erde direkt und sehr genau durch Unterschiede in den Frequenzen der Uhren messen.“ Das ermöglicht eine Fülle neuartiger Anwendungen in der Geodäsie, der Wissenschaft der Vermessung der Erde und ihres Schwerefeldes: Beispielsweise lassen sich Unterschiede zwischen den Höhennetzen verschiedener Länder auflösen, die insbesondere dann groß sein können, wenn es keine direkte Landverbindung gibt – wie zwischen Inseln und dem Festland. Auch der Meeresspiegel könnte genauer überwacht werden, indem Pegel besser vernetzt oder sogar mit einem nahezu unveränderlichen Referenzpunkt im Weltraum verglichen werden.

Aber zurück zum Höhenunterschied zwischen München und Braunschweig: Für ihr Messexperiment haben Wissenschaftler:innen der PTB eine hochmoderne transportable optische Uhr entwickelt, die auf lasergekühlten Strontiumatomen basiert. Daneben betreiben das MPQ, die PTB und weitere europäische Partner ein Fasernetzwerk, das Licht phasenstabil überträgt. „Die Nord-Süd-Verbindung über Glasfaserlinks besteht bereits seit 15 Jahren und war damals die weltweit erste Langstreckenverbindung zur Zeit- und Frequenzmessung, die eingerichtet wurde“, erzählt Dr. Ronald Holzwarth, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Laserspektroskopie am MPQ und Geschäftsführer der Menlo Systems GmbH. Über dieses Fasernetzwerk lassen sich zwei optische Uhren verbinden und vergleichen – und damit in diesem Fall der höhenbedingte Frequenzunterschied zwischen dem in Garching bei München gelegenen MPQ und der PTB in Braunschweig bestimmen.

Dazu wurde die transportable optische Uhr zunächst an der PTB mit einer weiteren Strontiumuhr abgeglichen und anschließend an das MPQ transportiert. Dort haben die Forschenden diese Uhr über eine Glasfaserverbindung erneut mit der in der PTB zurückgebliebenen Uhr verglichen und gemessen, um wie viel sich die Frequenzen relativ zueinander geändert hatten. Im Anschluss verglichen die Wissenschaftler beide Uhren erneut an der PTB, um sicherzustellen, dass sich außer der relativistischen Rotverschiebung nichts geändert hatte. Aus den Messdaten bestimmten sie dann einen Höhenunterschied von rund 400 Metern mit einer Unsicherheit von 27 Zentimetern. Die chronometrische Messung stimmt dabei mit Vergleichsmessungen, die etablierte herkömmliche Verfahren in der Geodäsie einsetzen, überein.

Die Messung, deren Ergebnisse kürzlich im Journal Physical Review Applied erschienen sind, demonstriert die praktische Umsetzbarkeit chronometrischer Höhenmessungen mit optischen Uhren und ebnet den Weg für praktische Anwendungen in der relativistischen Geodäsie. Gleichzeitig ist sie nur der Anfang. Inzwischen haben die Forschenden der PTB nämlich eine wesentlich verbesserte transportable Atomuhr entwickelt, die den Höhenunterschied zwischen München und Braunschweig noch sicherer bestimmen soll. „Wir erwarten uns mit der nächsten Messkampagne nochmals eine deutliche Verbesserung – die Unsicherheit in der Höhenmessung wird mit der optimierten optischen Atomuhr bei nur wenigen Zentimetern liegen“, erklärt Ronald Holzwarth.

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