Ein Quantenschalter für den leichtesten Spiegel der Welt
Physiker am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben einen optischen Spiegel mit einer ganz besonderen Eigenschaft entwickelt: einem Quantenschalter bestehend aus einem einzelnen Atom.
Wissenschaftler am MPQ haben ein schaltbares Metamaterial entwickelt: eine Oberfläche aus Atomen, deren optische Eigenschaften so eingestellt werden können, dass sie entweder reflektierend oder transparent ist. Die Ergebnisse wurden in Nature Physics veröffentlicht und bauen auf früheren Forschungsarbeiten des Teams zu sogenannten „geordneten atomaren Strukturen" auf, die eine effiziente Wechselwirkung zwischen Licht und Atomen ermöglichen. Durch die Entwicklung eines zusätzlichen, mikroskopisch kontrollierten einzelnen „Quantenschalter"-Atoms können die Wissenschaftler die optischen Eigenschaften des Materials nun nach Wunsch verändern.
Der leichteste Spiegel der Welt neu betrachtet
Einer der grundlegendsten Prozesse in der Quantenoptik ist die Kopplung eines einzelnen Atoms an ein einzelnes Lichtquant, das Photon. Wenn ein Lichtstrahl auf ein einzelnes Atom gerichtet wird, passieren die Photonen im Lichtstrahl das Atom normalerweise unbeeinflusst. Das ist eine Folge der schwachen Licht-Materie-Kopplung. Diese Kopplung zu verstärken ist deshalb eine der großen Herausforderungen der modernen Quantenoptik. Kürzlich konnten Wissenschaftler am MPQ einen neuen Weg aufzeigen, um starke Licht-Materie-Kopplung bis hinunter zu einzelnen Photonen zu erzeugen, indem sie eine definierte und kontrollierte Anordnung von vielen Atomen realisierten.
Ganz konkret ordnete das Forscherteam Rubidium-Atome in einem zweidimensionalen regelmäßigen Muster an. Die Abstände zwischen den Atomen sind dabei kleiner als die Wellenlänge eines einfallenden Photons: „Wir wollen, dass die Atome in diesem geringen Abstand zueinander angeordnet sind, weil sie dann „kooperativ" wirken. Das bedeutet, dass die gesamte atomare Anordnung die Eigenschaften von einzelnen Atomen aufweist, aber mit einer viel stärkeren Licht-Materie-Kopplung", erklärt Kritsana Srakaew, Doktorand und Erstautor der Arbeit. Die verstärkte Licht-Materie-Kopplung führt dazu, dass auch ein einzelnes Photon, welches ein einzelnes Atom normalerweise passieren würde, effizient reflektiert wird. Dieser Mechanismus erlaubt es gleichzeitig, aus nur einer einzigen Schicht von Atomen den leichtesten Spiegel der Welt zu konstruieren.
Verwendung eines einzelnen Atoms als Quantenschalter
Dieser optische Spiegel teilt viele Eigenschaften mit seinem klassischen Pendant. So ist insbesondere der Reflexionsgrad festgelegt und kann nicht kontrolliert werden. Ähnlich zum Schalter an einer Kaffeemaschine, mit dem man die Maschine an- („1“) und ausschalten („0“) kann, haben Wissenschaftler am MPQ nun einen Mechanismus entwickelt, der es erlaubt, die optischen Eigenschaften des Metamaterials bei Bedarf von reflektierend auf transparent umzuschalten. In der klassischen Welt kann man dieses neuartige Material mit einem Fenster vergleichen, welches sich durch das Umlegen eines Schalters plötzlich in einen perfekten Spiegel verwandelt.
Genau genommen haben die Autoren einen Schalter entwickelt, der aus nur einem einzelnen Atom besteht - dem kleinstmöglichen festen Schalter. Dieser Schalter befindet sich in der Mitte des optischen Spiegels, der geordneten atomaren Struktur. Sein Mechanismus beruht auf dem Energiezustand des Atoms, der mit Laserlicht manipuliert wird: Je nachdem, in welchem Energiezustand sich der Quantenschalter befindet, wird der optische Spiegel entweder reflektierend oder transparent wie ein Fenster. „Die Ergebnisse sind sehr spannend. Einzelne Photonen zu leiten ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die in der Regel mit Verlusten oder starken geometrischen Einschränkungen verbunden ist. Atomare Anordnungen haben das Potenzial, beide Herausforderungen zu meistern", erklärt Pascal Weckesser, Postdoktorand und Zweitautor. Er fügt hinzu: „Es ist faszinierend, einzelne Photonen zu kontrollieren, indem man sie entweder in die eine oder in die andere Richtung sendet, zumal wir dazu nur ein einziges Atom manipulieren."
Darüber hinaus untersucht die Arbeit auch einige wichtige Quanteneigenschaften. In dem Experiment der Wissenschaftler kann sich der Schalter nicht nur in den beiden Grenzeinstellungen "0" und "1" befinden, sondern auch auf einen Zwischenzustand eingestellt werden. Für diese Einstellungen gibt es keine klassischen Pendants, da der Spiegel nun quasi gleichzeitig reflektiert und transparent ist.
Der Weg zur zuverlässigen Atom-Licht-Verschränkung
Die vorliegende Arbeit liefert wichtige Bausteine für die Verschränkung von Licht und Atomen. Die Vorbereitung des Quantenschalters in einer kohärenten Überlagerung zwischen dem Grundzustand und dem angeregten Zustand (die „Ein"- und „Aus"-Einstellung bzw. „0" und „1") erzeugt Quantenverschränkung zwischen Licht und Atom, eine einzigartige und seltsame Verbindung zwischen dem ankommenden Photon und dem Atomschalter. „Die Atom-Licht-Verschränkung ist eine entscheidende Voraussetzung für Quantennetzwerke, in denen Informationen von stationären Qubits, zum Beispiel Atome, auf fliegende Qubits, zum Beispiel Photonen, übertragen werden. Der schaltbare Spiegel demonstriert einen völlig neuen Ansatz zur Realisierung der Atom-Licht-Verschränkung, der von fundamentalem Interesse ist und eine Reihe von Anwendungen in der Quantentechnologie haben könnte", kommentiert Johannes Zeiher, der Leiter des Experiments.