Nathalie Nagl gewinnt Otto-Hahn-Medaille der MPG

Im Rahmen Ihrer Promotionsarbeit entwickelte Nathalie Nagl eine neue Generation von Ultrakurzpulslasern im Infrarotbereich, mit denen zum Beispiel Blutproben genau analysiert werden können.

Nathalie Nagl forschte seit Beginn ihrer Dissertation an der Entwicklung von Femtosekundenlasern mit hohen Repetitionsraten. In ihrem Forschungsprojekt versuchte sie, hochintensive Laserpulse mit Impulsdauern von nur wenigen optischen Zyklen bei exotischen Wellenlängen im mittleren Infrarot-Spektralbereich zu erzeugen. Mit ihren experimentellen Forschungsbefunden hat Nathalie Nagl eine neue Generation von hochkompakten, rauscharmen und leistungsfähigen Lasersystemen auf den Weg gebracht, die man bei der Analyse von minimalen Veränderungen der Infrarot-Signale von Körperflüssigkeiten einsetzen kann. Dabei sollen – auf nicht-invasive Art und Weise – frühe Anzeichen von Krankheiten wie zum Beispiel Krebs erkannt werden. Die Max-Planck-Gesellschaft honoriert diesen Erfolg mit der Otto-Hahn-Medaille für herausragende Leistungen von NachwuchswissenschaftlerInnen.

„Vielleicht steht der Laser ja irgendwann in jeder Klinik“

Ultrakurzpulslaser spielen in der Abteilung von Professor Ferenc Krausz eine Schlüsselrolle. Damit generieren die ForscherInnen ultrakurze Laserpulse im Femto- und Attosekundenbereich (eine Femto- bzw. Attosekunde ist ein Millionstel bzw. Milliardstel einer milliardstel Sekunde, d.h. 10-15 bzw. 10-18), mithilfe derer sie die ultraschnellen Bewegungen von Elektronen beobachten und messen können. Außerdem ist es ihnen möglich, Moleküle in biologischen Proben gezielt zu Schwingungen anzuregen. Damit lässt sich eine enorme Menge an Informationen über deren Zusammensetzung gewinnen. Mittels einer neuen Messmethode können zum Beispiel Blutproben zur Früherkennung von Krankheiten analysiert werden – eine wichtige medizinische Anwendung, an der WissenschaftlerInnen des MPQ, der LMU und des Centers for Molecular Fingerprinting (CMF) im Moment arbeiten.

Die Technik des Femtosekundenlasers hat Nathalie Nagl nun im Rahmen ihrer Doktorarbeit weiterentwickelt und eine neue Generation auf den Weg gebracht, die weitaus kompakter, leistungsfähiger, rauschärmer und vor allem kostengünstiger herzustellen ist als die bisherigen Geräte. „Da sprechen wir von lediglich ein paar hundert Dollar im Vergleich zu Dreißigtausend Euro, die man bisher in die Pumplicht-Quelle eines derartigen Lasers investieren musste“, so Nathalie Nagl. „Außerdem ist der Laser von Natur aus äußerst stabil und rauscharm. Das ist sehr wichtig für den Einsatz in sensitiven Anwendungen, um etwa schwache molekulare Signale nicht durch Laserrauschen zu erdrücken.“

Laserdioden aus der Telekommunikation

In dem Femtosekundenlaser wird das Lasermedium – in diesem Fall ein Kristall – mittels eines Pumplasers angeregt. Das angeregte Lasermedium gibt daraufhin wieder Licht ab, das in einem optischen Resonator aus mehreren hochreflektierenden Spiegeln um ein Vielfaches verstärkt und dann gebündelt emittiert wird. Ein normaler Pumplaser ist jedoch typischerweise nicht nur sehr groß und teuer, sondern erzeugt durch seine Komplexität in der Regel auch zusätzliche Rauschkomponenten, die sich direkt auf den Femtosekundenlaser übertragen. Die Herstellung eines kompakteren, deutlich kostengünstigeren und äußerst stabilen Femtosekundenlasers ist vor allem auch für außerakademische und industrielle Anwendungen interessant. Eine Idee, die Nathalie Nagl in ihrer Arbeit verfolgte, war daher, ob der bisherige Pumplaser (ein Faserlaser) durch sehr kompakte, kostengünstige und rauscharme Laserdioden aus der Telekommunikation ersetzt werden kann, um den Kristall in derselben Weise anzuregen.

„Die Idee stand schon länger im Raum, wurde aber nur für einige sehr wenige Lasertypen erfolgreich umgesetzt. Für unsere Art von Ultrakurzpulslasern hat dies jedoch in der Praxis noch niemand gemacht, da diese Laser weit weniger erforscht sind als derzeitige Standardsysteme. Die Pumpquelle zu ersetzen bedeutet nicht einfach, dass ich den Faserlaser rausnehme und die Laserdiode an der gleichen Stelle einsetze. Der Faserlaser produziert einen perfekten Strahl, eben genau so, wie man ihn sich für einen Pumplaser wünscht. Das Licht der Laserdiode hingegen ist deutlich schwerer zu handhaben, weil es eine äußerst geringe Strahlqualität aufweist und sich nicht so einfach in den Kristall fokussieren lässt. Es war demnach nicht von Anfang an klar, ob die Strahlqualität und die weitaus niedrigere Strahlungsintensität ausreichen, um damit einen leistungsstarken Laser zu bauen – geschweige denn einen Femtosekundenlaser. Dieser soll schließlich keinen kontinuierlichen Strahl aussenden, sondern extrem kurze Laserpulse im mittleren Infrarotbereich“, erzählt Nathalie Nagl von den forschungsbedingten Herausforderungen ihres Projektes.  

Eine Million Watt mit viel Zeit und Nerven

Drei Jahre intensive Forschungsarbeit hat sie insgesamt diesem Thema gewidmet und dabei nacheinander drei neuartige Ultrakurzpulslaser aufgebaut. Der erste Laser war zunächst eine Art Demonstrator, um zu zeigen, dass das Prinzip funktioniert. Aber: „Am Ende ist es wichtig, dass er für die Anwendungen auch etwas taugt“. Deswegen ging es ihr im zweiten Schritt darum, die Spitzenleistung des Lasers um ein Vielfaches zu steigern und das Rauschverhalten des Femtosekundenlasers präzise zu untersuchen. „Dabei konnten wir zum ersten Mal zeigen, welch vielversprechend niedriges Rauschen der Laser aufweist. Eine derartig stabile Laserstrahlung haben wir bisher noch mit keinem Laser in unserer Gruppe erzielt“. Im dritten und finalen Schritt trieb sie die neue Technologie an ihre Grenzen und zeigte, dass der Laser ultrakurze Lichtpulse mit einer optischen Spitzenleistung von bis zu einer Millionen Watt aussenden kann. Die Leistung ist dabei sogar um einen Faktor 400 größer im Vergleich zum bisherigen Rekord.

Außerdem konnte die junge Wissenschaftlerin zeigen, dass man ihre Laserstrahlung benutzen kann, um sehr breitbandige Mittel-Infrarotstrahlung mit hoher Effizienz zu erzeugen. Die Laserpulse werden dabei direkt und ohne weitere Verstärkung in einen nichtlinearen Kristall fokussiert. Damit wird der Laser nun äußerst interessant für Forschungsanwendungen wie etwa die Früherkennung von Krebs, welche vom Team um Ferenc Krausz vorangetrieben wird.

„Es hat mich insgesamt viel Zeit und Anstrengung gekostet, alles so aufzubauen und zu optimieren, dass es am Ende passt,“ sagt Nathalie Nagl heute mit einem Lächeln „Man ist ja auch von einigen externen Faktoren abhängig und Experimente laufen oft nicht so, wie man sich das vorstellt. Aber ich kann mich tatsächlich glücklich schätzen, dass es von Jahr eins bis Jahr drei im Grunde mehr oder weniger reibungslos ablief. Darüber bin ich im Nachhinein natürlich sehr froh.“

Mit Bestnote in nur drei Jahren

Dank reibungsloser Abläufe, persönlichem Ehrgeiz und exzellenter Vorarbeit gelang es Nathalie Nagl, ihre Promotion in der Rekordzeit von nur drei Jahren und mit Bestnote abzuschließen. In der Gruppe war sie bereits vorher als Masterandin angestellt und konnte durch ihre gute Arbeit viel Vertrauen gewinnen. „Die haben mir dann auch zugetraut, dass ich das Projekt von Anfang bis Ende alleine durchführen kann“.

Was ihr vor allem geholfen habe, sagt sie, sei eine sehr strukturierte Arbeitsweise gewesen, auch beim Verfassen der Promotion. „Ich habe immer sorgfältig notiert, welche Schritte ich im Experiment durchgeführt und welche Daten ich gesammelt habe, damit ich sie jederzeit wiederfinde. Wenn du von Anfang an strukturiert arbeitest, dann zahlt sich das am Ende aus“. Auch das breite Schulungsangebot der Planck Academy habe ihr auf ihrem Weg bereits sehr geholfen.

„Mit dem Preisgeld lade ich auf jeden Fall meine Gruppe zum Essen ein“

Mittelfristig interessiert sich Nathalie Nagl dafür, das akademische Umfeld zu Gunsten einer Position in der freien Wirtschaft zu verlassen. Sie übernimmt gerne Verantwortung und plant und koordiniert. Fähigkeiten, die sie in ihrer aktuellen Postdoc-Position als Projektmanagerin schon gut testen und weiterentwickeln kann.

„Die akademische Welt und meine persönlichen Werte und Ziele sind nicht so leicht zu vereinbaren. Als gebürtige Niederbayerin gefällt es mir unglaublich gut in Bayern und ich möchte hier auch sesshaft bleiben. Im akademischen Umfeld Karriere zu machen bedeutet für mich, meinen Wohnort häufig zu wechseln und sich immer wieder auf neue Stellen bewerben zu müssen. Für Familie und Privatleben kann diese Flexibilität und Ungewissheit eine große Herausforderung sein. In Richtung freier Wirtschaft zu gehen heißt jedoch nicht, dass ich deshalb nicht weiter forschen, entwickeln, koordinieren und kreativ arbeiten kann – genauso, wie ich es bisher gemacht habe.“ 

Aber zuallerst „lade ich mt dem Preisgeld auf jeden Fall meine Gruppe zum Essen ein“, sagt Nathalie Nagl erfreut über ihren Preis.

Über die Otto-Hahn-Medaille

Die Otto-Hahn-Medaille wird seit 1978 verliehen. Jedes Jahr zeichnet die Max-Planck-Gesellschaft damit bis zu 30 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus, die im Rahmen ihrer Promotion herausragende wissenschaftliche Leistungen erbracht haben. Zur Anerkennung dieser Leistungen ist die Medaille mit je 7.500€ dotiert. Benannt ist die Medaille nach dem Kernchemiker und Nobelpreisträger Otto Hahn, der von 1948 bis 1960 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft war. Verliehen wird die Ehrung jedes Jahr auf der Hauptversammlung der Gesellschaft, die dieses Jahr wieder im Juni in Berlin stattfindet.

Aber zuallerst „lade ich mt dem Preisgeld auf jeden Fall meine Gruppe zum Essen ein“, sagt Nathalie Nagl erfreut über ihren Preis.

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