Der leichteste Spiegel der Welt

Physiker haben einen optischen Spiegel entwickelt, der aus nur wenigen hundert Atomen besteht. Es ist der leichteste Spiegel der Welt und der leichteste überhaupt vorstellbare.

Garching, 16. Juli 2020 – Physiker am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) haben den denkbar leichtesten Spiegel entwickelt. Das neuartige Metamaterial besteht aus einer einfach strukturierten Schicht aus nur wenigen hundert identischen Atomen. Die Atome sind in einem zweidimensionalen optischen Gitter aus interferierenden Laserstrahlen angeordnet. Bisher ist der Spiegel weltweit einmalig. Die Ergebnisse sind die ersten experimentellen Beobachtungen ihrer Art in dem noch neuen Forschungsfeld zu Subwellenlängen-Quantenoptik mit geordneten Atomen. Die Arbeit erscheint heute im angesehenen Fachblatt Nature.

Für gewöhnlich verwendet man bei Spiegeln hochpolierte Metalloberflächen oder speziell beschichtete Gläser, um ihre Leistung bei kleinerem Gewicht zu verbessern. Aber Physiker am MPQ haben nun zum ersten Mal gezeigt, dass selbst eine einfach strukturierte Schicht aus nur wenigen hundert Atomen schon einen optischen Spiegel bilden kann. Damit ist er der leichteste Spiegel, den man sich überhaupt vorstellen kann. Er ist nur wenige zehn Nanometer dick und damit tausend Mal dünner als ein menschliches Haar. Die Spiegelung darin ist jedoch so stark, dass man sie mit dem bloßen Auge wahrnehmen könnte.

Die Funktionsweise des Spiegels

Der Spiegel arbeitet mit identischen Atomen, die in einem zweidimensionalen Feld zu einem periodischen Viereckmuster angeordnet sind wobei der Abstand zwischen den Atomen kleiner ist, als deren optische Übergangswellenlänge. Beides sind typische und notwendige Merkmale von Metamaterialien. Metamaterialien sind künstlich erschaffene Strukturen mit spezifischen Eigenschaften, die natürlicherweise kaum vorkommen. Sie erhalten ihre Eigenschaften nicht durch ihr Material, sondern durch die spezielle Struktur, in der sie angelegt werden. Die beiden Eigenschaften – das periodische Muster und die Sub-Wellenlänge – sowie ihr gegenseitiges Zusammenspiel bilden den grundlegenden Mechanismus des neuartigen optischen Spiegels: Auf der einen Seite unterdrücken das regelmäßige Muster und die atomaren Abstände in Subwellenlänge beide ein diffuses Streuen des Lichts und bündeln die Reflexion stattdessen in einen gerichteten und stetigen Lichtstrahl. Auf der anderen Seite sorgt der vergleichsweise nahe aber diskrete Abstand zwischen den Atomen dafür, dass ein einfallendes Photon mehr als einmal zwischen den Atomen hin- und her prallt, bevor es zurückreflektiert wird. Beide Effekte – die unterdrückte Brechung des Lichts und das Hin- und Herfedern der Photonen – führen zu einer „verstärkten kooperativen Antwort an das externe Feld“, in anderen Worten: einer sehr starken Reflektion.

Fortschritte auf dem Weg zu effizienteren Quanten-Geräten

Mit einem Durchmesser von ungefähr sieben Mikrometern ist der Spiegel selbst viel zu klein, als dass man ihn mit dem bloßen Auge sehen könnte. Der Apparat, in dem der Spiegel gebaut wird, hingegen, ist enorm groß. Ganz im Stile anderer quantenoptischer Experimente zählt er über tausend einzelne optische Komponenten und wiegt in etwa zwei Tonnen. Das neuartige Material wird also kaum Einfluss auf die handelsüblichen Spiegel nehmen, die Menschen im Alltag verwenden. Der wissenschaftliche Einfluss auf der anderen Seite ist jedoch weitaus größer und weitreichender:

“Die Ergebnisse sind für uns sehr aufregend, denn einerseits wurden Photonen-vermittelte Korrelationen zwischen den Atomen, so wie sie für unseren Spiegel eine grundlegende Rolle spielen, in der Quantenoptik oft vernachlässigt. Auf der anderen Seite hat man solche geordneten Arrangements von Atomen, die wir mithilfe von ultrakalten Atomen in optischen Gittern erschaffen, hauptsächlich benutzt, um Modelle im Bereich der kondensierten Materie mithilfe von Quantensystemen zu simulieren. Jetzt zeigt sich, wie leistungsfähig diese Plattform auch für die Erforschung neuer quantenoptischer Phänomene ist,“ erklärt Jun Rui, Postdoc-Wissenschaftler und Erstautor der Arbeit.

Weitere Nachforschungen in diese Richtung könnten nun helfen, die Grundlagen von Licht-Materie-Wechselwirkungen weiter aufzuschlüsseln, die Untersuchung der Vielteilchenphysik mit optischen Photonen zu verbessern und effizientere Quanten-Apparate auf den Weg zu bringen.

„Viele neue und spannende Möglichkeiten eröffnen sich nun für uns. Zum Beispiel liefert die Arbeit einen faszinierenden neuen Ansatz für die Quantenoptomechanik – ein wachsendes Feld, das die Quantennatur des Lichts mit mechanischen Mitteln untersucht. Oder, unsere Arbeit könnte auch dabei helfen, bessere Quantenspeicher oder einen quantenschaltbaren optischen Spiegel zu bauen,“ fügt David Wei hinzu, Doktorand am MPQ und Zweitautor der Studie. „Beides wären interessante und bedeutende Fortschritte auf dem Weg zur Quanteninformationsübertragung.“

(KJ)

  

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