Unverwechselbarer molekularer Fingerabdruck

Forscher des Labors für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben ein völlig neuartiges Lasermesssystem zur Analyse der molekularen Zusammensetzung in biologischen Systemen entwickelt. Es kann kleinste Veränderungen in der molekularen Zusammensetzung von Organismen erkennen.

2. Januar 2020
In Organismen zirkulieren die verschiedensten Arten von Molekülen. Der Stoffwechsel lässt in den Zellen ständig verschiedenste neue Moleküle entstehen, die auch in die Umgebung, etwa in das Blut, abgegeben werden. Eines der großen Ziele der Biomedizin ist es, diesen Molekülmix detailliert zu erfassen und so Auskunft über den Zustand des Organismus zu gewinnen. Denn auch entartete Zellen wie etwa Krebszellen im menschlichen Körper produzieren ganz charakteristische Moleküle. Sie sind oft ein erster Hinweis auf eine Erkrankung. Das Problem dabei ist: Es gibt bisher nur äußerst wenige bekannte solcher Indikatormoleküle, die meist ohnehin in nur äußerst geringer Konzentration im Blut zirkulieren. Dementsprechend schwer ist es, sie nachzuweisen. Biomediziner gehen aber davon aus, dass es sehr viele solcher molekularen Krankheitssignaturen in verschiedensten Molekülklassen wie Protein-, Zucker oder Fettderivate gibt. Die große Herausforderung ist es, sie umfassend und genau genug mit einer einzigen Methode zu detektieren.

Um diesem Ziel näher zu kommen, hat ein interdisziplinäres Team aus Physikern, Biologen und Datenwissenschaftlern des Labors für Attosekundenphysik (LAP) der LMU und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik unter der Leitung von Ferenc Krausz, Inhaber des Lehrstuhls für Experimentalphysik/Laserphysik, ein neues Laser-Messsystem entwickelt. Mit seiner Hilfe ist es möglich, Fingerabdrücke der molekularen Zusammensetzung biologischer Proben jeglicher Art in Form von Infrarotlicht zu erhalten. Die Technologie arbeitet mit einer bisher noch nie erreichten Empfindlichkeit und kann für jede Biomolekülklasse eingesetzt werden.

 Das System basiert auf Technologien, die im Labor für Attosekundenphysik für die Ultrakurzzeitmetrologie entwickelt wurden. Das neue Laserspektrometer, gebaut vom Team um den Physiker Ioachim Pupeza, beruht auf der Emission extrem starker Infrarot-Laserpulse über ein breites Spektrum im infraroten Wellenlängenbereich, die nur Femtosekunden dauern. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde. Das Prinzip dahinter: Moleküle werden durch die ultrakurzen Infrarot-Laserpulse zum Schwingen angeregt. Die Lichtpulse wirken auf die elektronisch gebundenen Teilchen ähnlich wie ein kurzer Hammerschlag auf eine Stimmgabel. Danach schwingen die Moleküle selbständig weiter und senden dadurch kohärentes Licht mit charakteristischen Wellenlängen/Frequenzen aus. Die neue Technologie detektiert dabei die gesamte schwingende Lichtwelle. Jede molekulare Verbindung schwingt bei bestimmten Eigenfrequenzen und trägt damit einen wohldefinierten Anteil zur detektierten Lichtwelle bei. Hier kann sich kein Molekül mehr verstecken.

 „Wir haben mit unserem Laser nun einen breiten Wellenlängen-Bereich im Infrarot, von sechs bis zwölf Mikrometer, für die Anregung von Molekülen abgedeckt“, erklärt Marinus Huber, Co-Erstautor der Studie und Mitarbeiter im Team von Biologin Dr. Mihaela Zigman, das im Labor für Attosekundenphysik ebenfalls an den Experimenten beteiligt war. „Anders als etwa die Massenspektroskopie gewährt uns diese Methode Zugang zu allen Molekültypen, aus denen biologische Proben zusammengesetzt sind“, erklärt Zigman.

 Die kurzen Laserpulse zur Molekülanregung bestehen aus nur wenigen Schwingungen des Lichts. Das System erreicht dabei eine zweimal höhere Strahlungs-Brillanz, also Dichte an Photonen, als konventionelle Synchrotrons, in denen bisher Strahlung für ähnliche Molekularspektroskopie erzeugt wurde. Zudem ist die Infrarot-Strahlung räumlich und zeitlich kohärent. Alle physikalischen Parameter zusammen sind verantwortlich für die extrem hohe Sensitivität des neuen Lasersystems. Somit können auch sehr kleine spezifische Molekülkonzentrationen detektiert und damit der „molekulare Fingerabdruck“ sehr genau erstellt werden. Die neuen physikalischen Parameter ermöglichen es nun erstmals, wasserhaltige lebende Proben, die bis zu 0,1 mm dick sind, mit Infrarotlicht zu durchleuchten und dadurch mit bisher nicht dagewesener Empfindlichkeit zu analysieren. In ersten Experimenten mit der neuen Technologie hat das LAP-Team bereits eine ganze Reihe unterschiedlichster Proben untersucht.  

 „Diese präzise Messung von Veränderungen in der molekularen Zusammensetzung von Körperflüssigkeiten eröffnet neue Möglichkeiten für Biologie und Medizin und könnte künftig insbesondere in der Frühdetektion von Krankheiten Anwendung finden,“ sagt Zigman. (MPG/LMU)

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