Ein Blick auf die Randmoden

Erstmals ist es gelungen, Randmoden von ihrer Entstehung an zu beobachten

Forscher:innen des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München beobachteten und manipulierten erfolgreich die eigentümlichen Zustände, die an topologischen Grenzen entstehen: sogenannte Randmoden. Ausschlaggebend für den Durchbruch des Forscherteams war die beispiellose Kontrolle über die experimentellen Parameter, die eine Beobachtung dieser Randmoden bisher unmöglich gemacht hatten. Die Ergebnisse wurden in Nature Physics veröffentlicht.

Topologische Materialien weisen im Gegensatz zu „normalen“ Materialien Randmoden auf, die einen verlustfreien Transport entlang der Systemgrenze ermöglichen. Der durch die Randmode ermöglichte Transport ist robust gegenüber Störstellen des Kristalls und kleinen Änderungen der Systemparameter, er ist topologisch geschützt.

Dieser Schutz der Randmode ist faszinierend, da kleine Veränderungen im System die Leitfähigkeit der Randmode nicht verändern, ein Phänomen, das auch beim Quanten-Hall-Effekt beobachtet und bei der Neudefinition der Internationale Einheitensystem (SI) Einheiten im Jahr 2019 verwendet wurde.

Die direkte Beobachtung dieses Randtransports ist faszinierend, da das Auftreten der Randmode direkt zeigt, ob sich das System in einem topologisch nicht-trivialen Zustand befindet. Es erfordert darüberhinaus keine Kenntnis der zugrunde liegenden Bandstruktur. Trotz vielen Realisierungen von topologischen Systemen mit kalten Atomen blieb die unmittelbare Beobachtung von Randmoden mit kalten Atomen bisher aus.

Das Team von Monika Aidelsburger und Immanuel Bloch hat diese Randmoden nun in einem Experiment mit kalten Atomen beobachtet. Neutrale Kaliumatome werden auf Temperaturen unter einem Mikrokelvin (ein Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt) gekühlt und in einem wabenförmigen Gitter aus Laserlicht gefangen. Wenn dieses Gitter statisch gehalten wird, ist das System topologisch trivial, d. h. die topologischen Randmoden existieren nicht.

Außergewöhnliche Kontrolle

Um in den topologischen Zustand zu gelangen, in dem die Randmoden an der Grenze des Systems entstehen, moduliert das Team die Intensität der drei Laserstrahlen, aus denen das optische Gitter besteht, wodurch die Energiebänder topologisch werden.

Um eine topologische Grenze einzuführen, beleuchtet das Team mit einem weiteren Laserstrahl einen ausgewählten Bereich des Gitters. Dieser Laserstrahl bildet eine repulsive Wand für die Atome, die sie daran hindert, in den ausgeleuchteten Bereich des Gitters einzudringen.

Um die Trajektorie der Atome im Gitter zu beobachten, fangen die Forscher einige hundert Atome in einer eng fokussierten optischen Pinzette ein. Nachdem sie die Atome aus der Pinzette losgelassen haben, befinden sie sich meist an einem einzigen Gitterplatz des optischen Gitters und können sich frei im Wabenpotential bewegen. Wenn die Atome in der Nähe der Wand losgelassen werden, bewegen sich die Atome entlang der Wand, ohne den rest des Gitters zu erkunden. Die Bewegungsrichtung der Atome am Rand wird ausschließlich durch die Modulation vorgegeben.

Dieses Verhalten ähnelt dem von geladenen Teilchen in einem Magnetfeld, die sich an der Grenze eines Materials bewegen, wie z. B. Elektronen in einer 2D-Ebene die einem starken Magnetfeld ausgesetzt sind. In solchen Festkörpersystemen ist die Grenze der eigentliche Rand des Materials.

Die außergewöhnliche Kontrolle, die in diesem Kalte-Atom-Experiment vorhanden ist, ermöglicht die Manipulation der Höhe und Schärfe der repulsiven Wand. Dies führte zur ersten direkten Beobachtung der “Geburt” einer Randmode, während die Höhe der Wand vergrößert wird. Darüber hinaus konnten die Forscher durch die Kontrolle der Breite der Wand eine Verringerung der Geschwindigkeit der Randmode nachweisen, indem sie die Wand glatter machten.

In Zukunft wird das Team dieses neue Werkzeug nutzen, um das Zusammenspiel zwischen Topologie und Unordnung zu untersuchen. Zu diesem Zweck werden dem extrem regelmäßigen Wabengitter zufällige Störstellen hinzugefügt, um zu untersuchen, wie Unordnung den topologischen Transport von Materie behindern oder erleichtern kann.

"Wir können von einer noch nie dagewesenen Kontrolle über die Parameten, die diese Quantensimulationsplattform bietet, profitieren. Eine vergleichbare Kontrolle ist in ihren Festkörper-Pendants bisher unerreichbar und erlaubt es uns, bisher unbeantwortete Fragen aus der Festkörperphysik zu erforschen", sagt Monika Aidelsburger.

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