Garchinger Physiker fotografieren magnetische Polaronen

Garchinger Physikern gelang es erstmals, die magnetische Struktur um mobile Störstellen in einem Kristallgitter, sogenannte magnetische Polaronen, mithilfe eines Quantensimulators abzulichten.

5. September 2019

Es war ein magnetischer Moment. Physikern des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) war es 2018 erstmals möglich, magnetische Polaronen zu fotografieren und ihr Umfeld genau zu studieren. Das Team unter Leitung von Christian Groß aus der Abteilung Quantenvielteilchensysteme von Direktor Prof. Immanuel Bloch, präparierte spezielle Störstellen, sogenannte Doublonen, und injizierten sie in ein stark korrelierendes Vielteilchensystem aus Lithium, um Polaronen zu erzeugen. Dabei konnten die Physiker beobachten, dass dieses spezielle Teilchen stets von einer stark veränderten magnetischen Umgebung begleitet wird. Dieser Effekt war bereits theoretisch vorhergesagt, konnte in Garching aber erstmals experimentell mithilfe direkter Fotos nachgewiesen werden. Der Erfolg der Studie wurde mit einer Veröffentlichung in der aktuellen Ausgabe des „nature“-Magazin vom 15. August 2019 mit dazugehörigem Titelbild gekrönt.

Exakte Messungen dank modernster Mikroskopie

Möglich wurde der Erfolg durch die einzigartige Auflösungsmethode des Garchinger Quantensimulators, der die genaue magnetische Ausrichtung der Teilchen mitfotografiert. Der Quantensimulator, mit dem die Forschungsgruppe um Immanuel Bloch und Christian Groß arbeitet, nutzt ultrakalte Lithium-Atome, welche mit Laserstrahlen so manipuliert werden, dass sie sich wie Elektronen in einem Festkörper verhalten. Solche ‚künstlichen‘ Materialien sind mit heutiger Lasertechnologie sehr präzise kontrollierbar und bieten eine ideale Plattform, um quantenmechanische Phänomene in stark wechselwirkenden Vielteilchensystemen zu studieren.

Das Verhalten von Polaronen innerhalb eines Vielteilchensystems zu beobachten, stellte eine enorme Herausforderung dar und war nur mithilfe modernster optischer Mikroskopietechnik möglich. „Um in künstlichen Systemen nach magnetischen Polaronen zu suchen, bedarf es einer großen Menge an Fotos. Wir haben etwa 35.000 Bilder aufnehmen müssen. Ein Foto braucht 20 Sekunden. Nach jedem geschossenen Foto wiederholt die Maschine den Versuchsablauf und erstellt ein neues künstliches Material. Insgesamt sprechen wir von etwa 200 Stunden durchgehender Messzeit, in der strikte Bedingungen für die Stabilität unserer Maschine gelten. Sie muss während der ganzen Zeit perfekt laufen, ohne Unterbrechungen und Veränderungen in der Umgebung,“ erläutert Erstautor Joannis Koepsell. Mittels dieser Aufnahmen konnten die Wissenschaftler die Details der inneren Struktur von Polaronen genau vermessen.

Stark korrelierte Materie besser verstehen

Magnetische Polaronen gehören zu den Quasiteilchen und treten in Materialien mit besonderen Eigenschaften auf, wie der Hochtemperatursupraleitung oder dem kolossalen magnetoresistiven Effekt. Sie sind für unser Verständnis stark korrelierender Materie ein essenzielles Konzept. „Aus der Entfernung sehen sie zwar aus wie Teilchen. In Wirklichkeit sind sie aber eine untrennbare Kombination aus Störstelle und ihrer Umgebung. Beide zusammen bilden das Quasiteilchen. Man kann sie nicht voneinander trennen. Egal, wo das Teilchen hingeht, nimmt es seine Umgebung mit,“ beschreibt sie der Doktorand Joannis Koepsell. Ein Polaron, also Störstelle mit Umgebung, kann man sich als eine berühmte Person vorstellen, die versucht einen gefüllten Saal zu durchqueren. Während eine unbekannte Person problemlos durch die Lücken schlüpft, wird der Prominente mehr und mehr Menschen anziehen, bis sich eine Traube um ihn bildet. Diese Menschentraube bleibt an ihm hängen, sodass konstant Aufruhr um den Prominenten herrscht und sich außerdem das Tempo verlangsamt, mit dem er sich durch den Raum bewegt.

In der Zukunft wollen die Forscher mit neuen Techniken künstliche Materialien bei noch tieferen Temperaturen produzieren. „Der Knackpunkt ist folgender: Obwohl unser Simulator bei ultrakalten Temperaturen im Nano-Kelvin-Bereich operiert, bildet er aktuell Prozesse ab, die in einem Festkörper bei etwa 700 Grad Celsius stattfinden. Das ist natürlich noch nicht ideal. Eigentlich wollen wir Verhalten bei Raumtemperatur oder kälter simulieren. Der Heilige Gral bei diesem spezielln Thema ist also, noch kälter zu werden, so um den Faktor 5-10,“ so Koepsell. Bei niedrigeren Temperaturen wird erwartet, dass man beobachten kann, wie mehrere Polaronen miteinander interagieren, um schließlich exotische Phasen wie die Supraleitung auszubilden.

Die Studie, die am 15. August 2019 mit Titelbild in der Fachzeitschrift „nature“ erschien, wurde unter anderem durch die Max-Planck-Gesellschaft, die Europäische Union (UQUAM, FET-Flag 817482, PASQUANS), das Max Planck Harvard Research Center for Quantum Optics und die Hector Fellow Academy gefördert.

(MK/KJ)

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