Eine Einbahnstraße für Licht
Wissenschaftler vom MPQ und Caltech haben einen detaillierten experimentellen Aufbau konzipiert, zweidimensionale topologische Isolatoren mit Hilfe von klassischen optischen Netzwerken zu verwirklichen.
Im vergangenen Jahrzehnt hat eine neue Art von Materialien in zunehmendem Maße die Aufmerksamkeit auf sich gezogen: die sogenannten topologischen Isolatoren. Diese Materialien zeichnen sich durch eine ganz besondere Eigenschaft aus: sie verhalten sich im Innern wie ein Isolator, besitzen aber leitende Zustände an ihren Grenzen. Da diese Zustände „topologisch geschützt“ sind (siehe unten), sind sie sehr robust gegenüber Verunreinigungen, und elektrische Ströme können fast widerstandsfrei fließen. Das macht diese Materialien außerordentlich interessant für Anwendungen in der Quantenkommunikation und Quanteninformationsverarbeitung.
Nun haben Dr. Tao Shi (z.Z. Chinesische Akademie der Wissenschaften, Peking) und Prof. Ignacio Cirac vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (Garching) zusammen mit Prof. Jeff Kimble vom California Institute of Technology (Pasadena, USA) ein detailliertes Konzept entwickelt, einen zweidimensionalen topologischen Isolator mit einem klassischen optischen Netzwerk zu verwirklichen (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, AOP 10. Oktober 2017). „In diesem Netzwerk spielen die Lichtmoden die Rolle der elektronischen Zustände in einer zweidimensionalen Kristallschicht“, erklärt Dr. Tao Shi. „Die Erzeugung von chiralen Lichtmoden an den Kanten wird es vielleicht ermöglichen, einen elektromagnetischen Wellenleiter zu bauen, der Licht nur in einer Richtung durchlässt, während die entgegengesetzte Richtung nicht erlaubt ist.“
Festkörperkristalle sind charakterisiert durch ihre spezifische Bandstruktur: Bei einem Isolator ist das vollbesetzte Valenzband durch eine große „verbotene“ Zone vom Leitungsband getrennt. Dies gilt jedoch nur für Proben mit unendlicher Ausdehnung. Bei kleinen, klar abgegrenzten Kristallen oder Schichten unterscheiden sich die elektronischen Zustände an den Oberflächen bzw. Kanten von denen im Innern. Manchmal befinden sie sich sogar in der Mitte der Bandlücke. Da die Form der Bandstruktur mathematisch durch topologische Zahlen gekennzeichnet wird, nennt man solche Systeme auch kurz „topologische Isolatoren“. Die Chiralität der Zustände an den Grenzen ist eng an den Elektronspin gekoppelt und infolgedessen durch die Zeitumkehr-Symmetrie geschützt: d.h., eine Richtungsumkehr würde ein Umklappen des Spins implizieren. Für eine bestimmte Stoffklasse mit „nicht-trivialen“ topologischen Zahlen ist das aber nicht erlaubt. Deshalb sind diese Zustände hier geschützt und robust gegenüber Verunreinigungen und Verformungen, solange die Störungen klein sind. Bei einer bestimmten Klasse von zweidimensionalen topologischen Isolatoren lässt sich auch der Quanten-Spin-Hall-Effekt (QSHE) beobachten. Intuitiv gesprochen beschreibt der Effekt das Phänomen, dass Elektronen mit unterschiedlichem Spin entgegengesetzt gerichteten Magnetfeldern ausgesetzt sind.
Abweichend von früheren Entwürfen schlagen die Wissenschaftler in ihrer Arbeit ein optisches Netzwerk vor, das aus passiven Elementen wie Glasfaser, Strahlteilern und Wellenplättchen besteht. Dadurch werden Verluste im System weitgehend reduziert. Indem sie für die Netzknoten „schlechte“ Resonatoren (also solche mit hoher Dämpfung) verwenden, dehnen sie die topologische Bandlücke auf den gesamten Spektralbereich freier Moden aus. Dadurch können die Lichtmoden an den Kanten wesentlich länger fortbestehen. Darüber hinaus führt das Wechselspiel von Kerr-Nichtlinearität und Topologie zu der Erzeugung von gequetschten Kanten-Moden.
„Das optische Analogon eines topologischen Isolators ebnet den Weg, einen unidirektionalen Wellenleiter zu bauen“, führt Dr. Shi aus. „Abgesehen davon – unser eigentliches Ziel ist es, in diesem photonischen System den fraktionierten Quanten-Hall-Effekt umzusetzen. Dazu müssen wir mit Hilfe von Atomen eine starke Photon-Photon-Wechselwirkung induzieren. Wir möchten aber auch exotische topologische Phasen aufdecken, die in gewöhnlicher kondensierter Materie gar nicht vorkommen.“ Olivia Meyer-Streng