Elektronik mit Licht beschleunigen
Wissenschaftler am MPQ haben mit ultrakurzen Laserpulsen die schnellsten jemals erzeugten elektrischen Ströme in Festkörpern gemessen. Die Elektronen führten in einer Sekunde achtmillionen Milliarden Schwingungen aus, ein absoluter Rekord für die Steuerung von Elektronen in Festkörpern.
Die Leistungsfähigkeit von modernen elektronischen Geräten wie Computern oder Mobilfunkgeräten wird durch die Geschwindigkeit bestimmt, mit der die elektrischen Ströme in elektronischen Schaltungen schwingen können. In den vergangenen Jahrzehnten hat vor allem die ständige Verkleinerung der Grundbausteine wie des Transistors die Entwicklung immer schnellerer Geräte – wie wir sie heute kennen und benutzen – erlaubt. Doch diese Methode erreicht allmählich ihre ultimativen Grenzen; die Geräte werden so klein, dass sie nur noch aus einer Handvoll von Atomen bestehen, und bei diesen Dimensionen lassen sich die in der Elektronik üblichen Techniken nicht mehr anwenden. Für eine weitere Steigerung der Geschwindigkeit von elektronischen Geräten muss man somit neue Wege finden.
Nun hat eine Gruppe von Wissenschaftlern um Dr. Eleftherios Goulielmakis, Leiter der Forschungsgruppe Attoelectronics, erstmals mit Hilfe von kurzen Laserpulsen Elektronen innerhalb von festen Stoffen zum Schwingen gebracht und damit Ströme erzeugt, die die Frequenz des sichtbaren Lichtes um mehr als das Zehnfache übertreffen (Nature, 20. Oktober 2016, DOI: 10.1038/nature 19821). Dabei experimentierten sie mit Siliziumdioxid, einem isolierenden Material, das in der elektronischen Industrie normalerweise zum Verhindern und nicht zum Erzeugen elektrischer Ströme verwendet wird. Sobald dieses Material intensiven Laserpulsen ausgesetzt wurde, stieg seine Leitfähigkeit um mehr als 19 Größenordnungen. Damit ergeben sich völlig neue Möglichkeiten, die Eigenschaften des Materials auf extrem kurzen Zeitskalen zu verändern.
„Seit mehr als hundert Jahren denken Wissenschaftler darüber nach, konventionelle Stromquellen wie Batterien durch Licht zu ersetzen, um elektrische Ströme in Festkörpern, wie sie in der elektronischen Fabrikation verwendet werden, zu erzeugen“, sagt Eleftherios Goulielmakis. Karl Ferdinand Braun, der Erfinder des ersten Festkörper-basierten Gleichrichters, spielte schon in seinem Vortrag bei der Nobelpreisverleihung auf seine erfolglosen Versuche an, in Festkörpern durch Lichteinstrahlung elektrische Ströme hervorzurufen. „Aber heute können wir mit Lasern Materie immer besser kontrollieren und Lichtfelder immer genauer messen. Damit erhält die Idee, die Bewegung von Elektronen in Festkörpern mit Lasern zu steuern, starken Auftrieb“, fügt Goulielmakis hinzu.
Konventionelle elektronische Techniken können so schnelle elektrische Ströme weder erzeugen noch erfassen. Aber die Wissenschaftler verfolgten einen anderen Ansatz. „Wir haben für die Stromerzeugung Laser verwendet, weil sie die Elektronen in Festkörpern in extrem schnelle Schwingungen versetzen können“, sagt Manish Garg, ein Doktorand in der Gruppe Attoelectronics und Erstautor der Veröffentlichung. Doch warum bringen Laser diesen Fortschritt? In konventionellen Schaltkreisen werden die Elektronen von dem elektrischen Feld der Stromquellen, etwa Batterien, zu Schwingungen angestoßen. Auch wenn alle Elektronen anfangs der Kraft des Batteriefeldes folgen, stoßen sie gelegentlich mit langsameren Teilchen wie Atomen oder Ionen zusammen und verlieren dadurch ihre Synchronizität. Von intensiven Lichtfeldern dagegen werden die Elektronen in extrem kurzer Zeit beschleunigt. Deshalb geraten sie in Schwingungen und erzeugen elektrischen Strom, bevor ihnen andere Teilchen in die Quere kommen. „Für die Messung dieser schnellen elektronischen Bewegung benutzen wir optische Techniken: statt die elektrischen Ströme direkt nachzuweisen, messen wir die Schwingungen der EUV-Strahlung (Extreme Ultraviolett), welche die im Siliziumdioxid kohärent schwingenden Elektronen erzeugen“, ergänzt Manish Garg.
Die so nachgewiesenen Ströme sind etwa eine Million mal schneller als die in einem gängigen modernen Computerprozessor. „Auch wenn unser Fokus darauf liegt, die physikalischen Grenzen auszuloten, könnte unsere Untersuchung den Weg ebnen, in den kommenden Jahren elektronische Geräte zu entwickeln, die eine Million mal schneller als heutige sind“, sagt Minjie Zhan, ein Forscher in der Gruppe von Dr. Goulielmakis. Und der Gruppenleiter Goulielmakis betont: „Unsere Arbeit ermöglicht es, in festen Stoffen kohärente Elektronik zu verwirklichen, was man sich früher nur für isolierte Moleküle vorstellen konnte. Wenn sich Elektronen kohärent bewegen, strahlen sie Licht ab, und Licht spielt die entscheidende Schlüsselrolle in der Photonik. Aus diesem Grund sind wir vielleicht bald in der Lage, zwei wichtige Bereiche der modernen Wissenschaft zu vereinigen: die Elektronik und die Photonik.“