Eine Stoppuhr für Elektronenblitze
Physiker der Ludwig-Maximilians-Universität und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik messen erstmals exakt die Dauer hochenergetischer Elektronenpulse.
Eine Stoppuhr aus Licht ermittelt die Dauer kürzester Elektronenblitze. Ein Team vom Labor für Attosekundenphysik (LAP) an der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik hat es erstmals geschafft, mit den elektrischen Feldern von Laserlicht die Dauer ultrakurzer, hochenergetischer Blitze aus Elektronen exakt zu bestimmen. Mit Hilfe solcher Elektronenpulse, die auch Welleneigenschaften haben, erstellt man zeitaufgelöste Aufnahmen von Vorgängen in Molekülen und Atomen. Man kann also die Elementarteilchen in vier Dimensionen filmen. Die neue Stoppuhr für Elektronen bietet nun die Möglichkeit, noch genauer zu erkunden, wie sich Elektronen und Atome in den allerkleinsten Dimensionen der Natur bewegen (Nature Photonics, DOI:10.1038/nphoton.2013.315, 8. Dezember 2013).
Rund 24 Bilder pro Sekunde reichen aus, um vor dem menschlichen Auge einen Film ablaufen zu lassen. Will man die teilweise Attosekunden-schnellen Bewegungen von Atomen oder sogar Elektronen kontinuierlich aufzeichnen, so benötigt man ein Billionenfaches an Bildern pro Sekunde (eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer milliardstel Sekunde). Eine Möglichkeit, solche Zeitlupen-Aufnahmen zu erstellen, bieten Elektronenpulse. Sie werden mit Hilfe von Laserlicht an Metalloberflächen erzeugt. Jeder einzelne Puls dauert nur wenige Femtosekunden (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde) und liefert Bilder von atomaren Strukturen aus dem Mikrokosmos.
Wie lange genau solche Pulse dauern, war bis jetzt schwer zu bestimmen. Doch nun hat das LAP-Team ein System entwickelt, mit dem die Dauer von hochenergetischen Elektronenpulsen (25 keV) exakt gemessen werden kann. Dazu schickten die Forscher die Elektronenpulse aus einzelnen Elektronen in Richtung einer dünnen Folie aus Aluminium. An dieser trafen die Elektronen auf einen Laserpuls, der rund 50 Femtosekunden dauerte und ungefähr im rechten Winkel zu den Elektronen auf der Folie auftraf.
Sobald das elektrische Feld des Infrarot-Laserpulses die Elektronen erfasste, nahmen diese entweder Energie auf oder gaben sie ab, während sie, geradeaus durch die Alufolie, auf einen Detektor zuflogen. Entscheidend für Aufnahme oder Abgabe von Energie ist der Zeitpunkt, an dem die Elektronen das sich stetig wandelnde elektromagnetische Feld des Infrarotpulses verlassen. Aus der Energieverteilung der anschließend auf den Detektor auftreffenden Elektronen konnten die Forscher dann ausrechnen, wie lange der ursprüngliche Elektronenpuls vor der Interaktion mit dem Lichtfeld dauerte.
Hochenergetische Elektronenpulse dringen – im Gegensatz zu Laser-Lichtblitzen aus Photonen – tief in die atomaren Bestandteile von Materie ein. Sie sind damit in der Lage, nicht nur die zeitlichen Veränderungen, sondern auch die räumliche Anordnung der Atome zu vermessen. Untersuchungen der Elektronenbewegungen in Atomen oder Molekülen mit Elektronenpulsen nennt man Elektronendiffraktometrie. Mit dieser Technik lassen sich die Positionen und Bewegungen von Atomen und Ladungen räumlich und auch zeitlich (also in der vierten Dimension) verfolgen. Aktuell dauern solche Elektronenpulse mehrere 100 Femtosekunden. Jedoch können die Elektronenpulse für die Diffraktometrie im Prinzip auch um den Faktor 1000 verkürzt werden. Diese Attosekunden-Elektronenblitze können ebenfalls mit Hilfe der neuen Methode gemessen werden. Mit der neuen Stoppuhr aus Licht steht ihrer Erzeugung nicht mehr viel im Weg. Thorsten Naeser