“Ich versuche Ideen zu spenden und zu motivieren”

“Ich versuche Ideen zu spenden und zu motivieren”

Thomas Udem ist Professor an der LMU München und ist einer der langjährigsten Mitarbeiter in der Laserspektroskopie-Arbeitsgruppe von Nobelpreisträger Theodor Hänsch.

Er hat schon viele Doktoranden bis zur Promotion betreut, bei manchen war er auch Doktorvater. Sein Motto für die Betreuung: Machen lassen.

Herr Udem, Sie haben ja Ihre ganze Wissenschaftler-Karriere am MPQ verbracht, seit 26 Jahren sind Sie hier, ist das nicht ungewöhnlich für eine Wissenschaftler-Karriere?

Ja, das ist es sicherlich. Ich hätte gehen können, aber ich hatte nie einen Grund zu gehen. Ich konnte hier immer genau das machen, was ich wollte und das unter den allerbesten Bedingungen.

 Wie sehen denn solche Bedingungen aus, die dazu führen, dass man nicht gehen will?

Ich forsche ja in der Arbeitsgruppe von Theodor Hänsch und der hat die Einstellung, dass er jeden machen lässt. Die besten Leute suchen und sie dann machen lassen, das ist sein Erfolgsrezept. Ich habe letztens mit einem sehr gutem Wissenschaftler gesprochen, der auch vor vielen Jahren hier promoviert hat, ein Quereinsteiger, der aus der theoretischen Physik kam. Der hat mir erzählt, wie seine erste Zeit am MPQ war. Er hat sich erst einmal in sein Büro gesetzt, hat Paper gelesen und hat darauf gewartet, dass jemand kommt, der ihm sagt, was er zu tun hat. Es kam aber keiner. Irgendwann hat er dann den Dreh gekriegt und sich um ein Labor bemüht. (lacht) Was ich damit sagen will: Manche können mit der Freiheit, die sie hier bekommen, nicht umgehen. Die passen dann auch nicht zu uns. Manche, wie der genannte Wissenschaftler, haben anfänglich Schwierigkeiten mit der Freiheit, kriegen dann aber die Kurve. Und manche geniessen diese Freiheit von Anfang an, so wie ich.

Jetzt sind Sie in der Situation, dass Sie selber Doktoranden betreuen. Was haben Sie von dieser Art der “Mitarbeiterführung” mitgenommen?

Ich habe diese Tradition quasi übernommen. Bei mir gilt auch immer noch das Motto ‘Gute Leute suchen und die dann machen lassen’. Wenn ich überlege, ob jemand in die Gruppe passt, dann frage ich mich, ob diejenige oder derjenige selbstständig arbeiten kann. Das ist Grundvoraussetzung. Für Bachelor- und Masterarbeiten gilt das noch nicht. Da kann man kleinere Projekte vorgeben, mit genau definierten Aufgaben. Doktoranden müssen aber ihr Thema selber gestalten und Postdocs müssen ihre Themen selber mitbringen. Dann können sie so arbeiten, wie sie das möchten.

Läuft man bei so viel Freiheit aber nicht Gefahr, dass jeder vor sich hinarbeitet und die großen, gemeinsamen Ergebnisse bleiben aus?

Ja, mit der Freiheit, das ist so eine Sache. Wenn man alle das Gleiche machen lässt, hat man Monokultur. Man kann man mit den falschen Arbeitsbedingungen Kreativität zunichte machen. Auf der anderen Seite, da haben Sie recht, muss man die Forschung ein wenig kanalisieren, damit man zu gemeinsamen Ergebnissen kommt. Das passiert aber meistens von alleine. Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel: Aktuell haben wir zum Beispiel ein Team aus zwei Postdocs und einem Doktoranden, die gemeinsam eine Maschine entwickeln. Die beiden Postdocs arbeiten an der Entwicklung der Laserquelle, der Doktorand an der Ionen-Falle. Die arbeiten eng zusammen und wir tauschen uns aus. Die haben aber wirklich die absolute Freiheit, wie sie ihre Arbeit machen, auch der Doktorand. Es wäre auch ein großer Fehler, ihm zu sagen, was er tun soll, weil der so gute Ideen hat, dass ich ihn nur hindern würde, wenn ich mich da zu sehr einmische.

Wenn Sie sich nicht einmischen, wie sieht denn dann die Betreuung überhaupt aus?

 Ich versuche Ideen zu spenden und ich versuche zu begeistern und zu motivieren, das ist alles.

Was muss ein Doktorand oder eine Doktorandin mitbringen, der oder die bei Ihnen promovieren will?

Er oder sie muss sich für die Themen begeistern. Die Motivation ist sehr wichtig. Wir machen Präzisionsmessungen, die sind anstrengend. In der Uni lernt man ja immer nur die Theorie, wie etwas funktionieren müsste. Wenn man bei uns forscht, ist man die meiste Zeit erst einmal damit beschäftigt danach zu suchen, warum etwas eben nicht so funktioniert, wie die Theorie das sagt. Das ist manchmal nervenaufreibend, deswegen muss man schon richtig Freude an der Sache haben. Wie ich schon gesagt habe: Ich schaue genau, wer zu uns passt und wer nicht. Aber wir haben offene Promotionsstellen, deswegen kann ich Interessierte nur ermuntern, sich zu bewerben. Übrigens: Sehr gute Noten sind gar nicht so wichtig. Denn häufig sind es diejenigen, die nur gute Noten haben, die richtig gute Wissenschaftler werden.

Sie forschen ja in einem Bereich, in dem man vorwiegend männliche Wissenschaftler antrifft. Wie sieht es mit Doktorandinnen aus?

Wir hatten bisher leider nur sehr wenige Doktorandinnen, würden uns aber sehr über Bewerbungen freuen. Ich glaube, dass die Chancen für Physikerinnen in der Wissenschaft gerade nicht schlecht sind, es lohnt sich also!

(AE/KJ)

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