Nix für Gscheithaferl

Nix für Gscheithaferl

Michael Rogg leitet die Feinmechanik-Werkstatt am MPQ. In dieser Werkstatt werden Teile gefertigt, die in der Forschung unabdingbar sind.

Gerade ist Michael Rogg im Homeoffice, Corona bedingt. Von zu Hause aus plant er die Arbeiten und programmiert ein wenig. Seine Abteilung hat sich entschieden während der Krisen-Zeit das Team in zwei Gruppen zu teilen, die abwechselnd am Institut arbeiten. Sollte ein Mitarbeiter erkranken, ist damit nicht das ganze Team außer Gefecht gesetzt, sondern die eine Hälfte kann auf Sparflamme weiterarbeiten. Denn rein virtuell geht es nicht: “Wir haben zwar zurzeit weniger zu tun, weil im Labor auch weniger Wissenschaftler arbeiten dürfen, aber Bauteile müssen wir trotzdem anfertigen.”

Michael Rogg leitet die Feinmechanik-Werkstatt am MPQ und ist damit Teil dessen, was die Forscher als “außergewöhnlich gute Forschungsbedingungen” loben. Wer am MPQ ein Bauteil für sein Experiment benötigt, bestellt dies in der Werkstatt und hat es in der Regel in spätestens zwei Wochen vorliegen. Viele der Stücke sind Unikate und nicht selten müssen die Mechaniker selber experimentieren: “Die Wissenschaftler bestellen manchmal Bauteile, die so noch nie jemand hergestellt hat. Da müssen wir dann ausprobieren, ob das funktioniert.”

Michael Rogg kennt das Institut wie kaum einer anderer. Seit 1986 arbeitet er am MPQ, seit 2012 ist er Werkstattleiter. Sogar seine Lehre hat er im unmittelbaren Umfeld absolviert, nämlich am benachbarten Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. Feinmechaniker gehört zu den Berufen, die in den letzten Jahrzehnten große Veränderungen erfahren haben. Früher war vor allem handwerkliches Geschick gefragt, heute muss man außerdem noch CNC-Maschinen bedienen und programmieren können: “Einige der Fräsmaschinen arbeiten computergestützt, die Komplexität der Baustücke hat sich dadurch wesentlich geändert”, sagt Michael Rogg.

17 Mitarbeiter hat seine Abteilung, davon vier Auszubildende. Die duale berufliche Ausbildung ist etwas, das es in der Form nur in Deutschland gibt: Über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren erlernen die Auszubildenden einen Beruf, dabei verbringen sie die Hälfte der Zeit auf ihrer Arbeitsstelle, die andere Hälfte in der Schule. Über 300 Ausbildungsberufe gibt es in Deutschland. Am MPQ werden in der Werkstatt drei Feinmechaniker und ein Konstruktionsmechaniker ausgebildet, außerdem gibt es noch eine Auszubildendenstelle in der Verwaltung.

Dass einige Maschinen nun computergesteuert sind, fordert von den Auszubildenden und Mitarbeitern neues Wissen ab, sie müssen programmieren können, etwas, das zur Verärgerung von Michael Rogg leider noch nicht in der Ausbildungsverordnung verankert ist: “Das ist einfach essentiell, wer das nicht lernt, kann seinen Beruf nicht ordentlich ausfüllen.” Am MPQ werden die Azubis zu echten Allroundern in ihrem Fach gemacht, das ist für Michael Rogg Ehrensache, aber auch eine Notwendigkeit: “In der Industrie lernen die Auszubildenden häufig nur an einer oder wenigen Maschinen, bei uns müssen sie alles können.”

Der 58jährige Michael Rogg musste sich das Programmieren selber aneignen, in Fortbildungen und mit Fachbüchern. Lebenslanges Lernen ist für ihn selbstverständlich: “Wenn man Spaß an seinem Beruf hat, dann hat man auch Freude daran, etwas Neues zu lernen.” So sei er eigentlich immer, wenn er abends mal zu Hause ist, damit beschäftigt etwas zu lesen. Besonders angetan haben es ihn alte Zeichnungen von Werkstücken und Maschinen. “Es ist schon Wahnsinn, an den Zeichnungen kann man sehen, dass die Menschen vor 80 oder 100 Jahren genauso präzise gearbeitet haben wie heute.”

Immer zu Weihnachten treffen sich alle aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter der Abteilung. Nur wenige seiner Azubis haben die Ausbildung abgebrochen, ein paar allerdings haben nach der Ausbildung gekündigt, um zu studieren. So zählen zu seinen ehemaligen Auszubildenden heute einige Ingenieure, die auf dem zweiten Bildungsweg ihr Fachabitur abgelegt haben, um dann an die Uni zu gehen. Überraschend ist, dass es in der Werkstatt keine Azubis mit Abitur gibt. Selbst Jugendliche, die nur einen erweiterten Hauptschulabschluss vorweisen können, von dem man eigentlich sagt, dass er wenig gefragt sei am Arbeitsmarkt, können am MPQ ihre Chance bekommen: “Wir brauchen hier Leute die Lust haben, den Beruf zu erlernen und keine Gscheithaferl”, sagt Michael Rogg.

Die Azubis lernen das Arbeiten an den zwei Maschinenarten, die in der Feinmechanik zum Einsatz, nämlich die Fräsmaschinen zum Herstellen von meist eckigen Teilen und die Drehmaschinen zum Herstellen von runden Teilen. Mit beiden Maschinen können die Mechaniker auf den Hundertstel Millimeter genau arbeiten. Zum Vergleich: Ein Haar hat einen Durchmesser von circa 5/100 Millimeter. Entscheidend bei der Arbeit ist die Wahl der Werkzeuge. In jeder Maschine können unterschiedliche Werkzeuge eingesetzt werden, welches benutzt wird, hängt vom Material und der geometrischen Form der Werkstücke ab. Die Materialien, die am MPQ zum Einsatz kommen, bereiten den Mechaniker so manches Mal Kopfzerbrechen. “Es gibt Materialien, die nur in der Forschung und in der Raumfahrt genutzt werden, dafür gibt es dann keine speziellen Werkzeuge. Da muss man dann auf die eigene Erfahrung zurückgreifen, sich überlegen, welches Material ähnliche Eigenschaften hat und nach Alternativen suchen.” Im Prinzip arbeiten die Mechaniker genau nach den Wünschen der Forscher, manches Mal lohnt es sich aber genauer nachzufragen: “Wenn die Bemaßungen auf den Tausendstel Millimeter genau angeben ist, frage ich, ob das für das Experiment wirklich notwendig ist. Oder ich frage nach, ob es wirklich dieses richtig teure Material sein muss. Nicht selten ist es nämlich so, dass die Anforderungen so spezifisch formuliert werden, weil sie das so in einem Fachartikel gefunden oder auf einer Tagung gehört haben, dabei kann man es einfacher und günstiger machen.”

Schmerzlich ist für ihn nur, wenn ein Werkstück, für das er oder seine Mitarbeiter viel Zeit aufgewandt haben, innerhalb kürzester Zeit im Schrott landet. “Das tut weh, es gehört aber auch dazu. Wir machen hier Spitzenforschung, da muss man Ideen auch wieder verwerfen.”

Privat ist er gerne auf dem Motorrad unterwegs und spielt Theater in bayrischem Dialekt. “Erst habe ich nur ausgeholfen, weil sie für ein Stück viele Leute brauchten, die der bayrischen Sprache mächtig sind, mittlerweile spiele ich häufig die Hauptrolle.” Und seine Freude am werkeln und bauen ist seit ein paar Jahren auch wieder privat gefragt, nämlich bei seinen drei “Bonus-Enkelkindern”, für die er nun alles was kaputtgegangen ist, wieder richtet und sich große Bastelprojekte überlegt. Bonus-Enkelkinder sind es, weil sie mit der Tochter seiner Lebensgefährtin in die Familie gekommen sind, was für ihn aber keinen Unterschied macht: “Ich bin der erste Opa in meinem Bekanntenkreis und das obwohl nicht mal Vater bin,” sagt er lachend.

(AE)

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