Darf’s etwas mehr sein?
Forscher des Labors für Attosekundenphysik in Garching haben erstmals einen lasergetriebenen Beschleuniger mit mehreren Elektronenstrahlen unterschiedlicher Energien gebaut
Teilchenbeschleuniger als Strahlungsquellen sind eines der wichtigsten Werkzeuge der modernen Physik und Medizin. Anlagen wie der LHC in Genf oder der European XFEL in Hamburg gehören zu den größten und teuersten Geräten, die die Menschheit je gebaut hat. Laserphysiker des Labors für Attosekundenphysik (LAP) am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) und an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München haben nun einen lasergetriebenen Teilchenbeschleuniger gebaut, der mehrere Elektronenstrahlen mit verschiedenen Energien gleichzeitig erzeugt und dabei wesentlich kompakter und kostengünstiger konzipiert ist.
Will man Strahlungsquellen einem großen Kreis von Forschungslaboren und Kliniken zugänglich machen, müssen diese künftig sehr viel kompakter und kostengünstiger gebaut werden. Dieses Ziel verfolgt die Arbeitsgruppe von Stefan Karsch im Labor für Attosekundenphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ). Die Laserphysiker loten Möglichkeiten für neue, kompakte und damit günstigere Methoden zur Teilchenbeschleunigung aus. Die Forschung des Professors beruht dabei auf der von Donna Strickland und Gérard Mourou entwickelten Technik der Verstärkung von Laserpulsen, die 2018 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
Bei der sogenannten Laser-Kielwellen-Beschleunigung wird ein extrem leistungsstarker Laserpuls auf ein Gas fokussiert und erzeugt dort eine Plasmawelle, auf der Elektronen surfen und beschleunigt werden können. Die elektrischen Felder dieser Plasmawelle sind tausend Mal stärker als in konventionellen Beschleunigern. Bereits in der Größe eines Stecknadelkopfes kann der Laserpuls Elektronen bis auf 99,9999 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. Solche Elektronen können zum Beispiel in der Medizin zur Erzeugung von hochintensiven Röntgenstrahlen genutzt werden.
Doch es gibt einen Haken: Aufgrund der extremen Bedingungen innerhalb eines Plasmabeschleunigers sind die Plasmawellen anfällig für schwer kontrollierbare Schwankungen. Jetzt haben Johannes Wenz, Andreas Döpp und Konstantin Khrennikov, Mitglieder im Karsch-Team, eine völlig neue Kontrollmethode über die Plasmabeschleunigung gewonnen. Die Laserphysiker demonstrieren in ihren Messungen, dass sie nicht nur ein, sondern gleich zwei Elektronenpakete mit individuell einstellbarer Energie simultan erzeugen können.
Das ist nicht nur ein Durchbruch für die Kontrolle von Laserbeschleunigern, sondern öffnet neue Perspektiven zur Erforschung von Materie auf ultrakurzen Zeitskalen. Das Ergebnis legt somit einen Grundstein für eine neue Generation von Experimenten in der Ultrakurzzeit-Physik. Denn die beiden Elektronenpakete sind zeitlich nur um wenige Femtosekunden im Beschleuniger versetzt. Dadurch können Elektronen, oder aus ihnen gewonnene Synchrotronstrahlung, beispielsweise für Anrege-Abfrage-Experimente von Molekülen oder anderen schnelllebigen Systemen verwendet werden. Bisher sind solche Experimente auf wenige Kombinationen von Anrege oder Abfrage-Quellen beschränkt. Mit der neuen Technik könnten Elektronenstrahlen mit Photonen im Terahertz- bis zum Gamma-Strahlungsbereich verbunden werden, die alle mit dem Hochleistungslaser synchronisiert sind.
Zur Zeit sind die Forscher damit beschäftigt die nächste Generation ihrer Strahlungsquelle aufzubauen. Mit dem neuen ATLAS-3000 Laser im neuen Laserforschungszentrum Center for Advanced Laser Applications (CALA) der LMU nehmen die Forscher derzeit einen der leistungsstärksten Laser der Welt in Betrieb. Hier werden dann – aufbauend auf den dualen Elektronenstrahlen – auch mögliche Anwendungen in der Medizin verfolgt, beispielsweise für eine künftige, lasergetriebene Röntgendiagnostik. (AD/TN)