Photonennachweis ohne Absorption
MPQ-Wissenschaftler können ein optisches Photon zweimal sehen.
Licht ist von fundamentaler Bedeutung. Es erlaubt uns, die Welt um uns herum zu sehen und Bilder von unserer Umgebung zu machen. Es bietet die Möglichkeit, durch optische Fasern über weite Entfernungen zu kommunizieren. Alle bislang zur Verfügung stehenden Methoden zur Detektion von Licht haben eines gemeinsam: sie beruhen auf der Absorption der Lichtquanten und damit auf ihrer Zerstörung.
Seit langem träumen Wissenschaftler davon, einzelne Photonen vorbeifliegen zu sehen, ohne sie dabei zu absorbieren. Ein Team aus der Abteilung Quantendynamik von Prof. Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik hat nun erstmals einen Detektor realisiert, der das Photon beim Nachweis unversehrt lässt (Science Express, 14. November 2013). In ihrem Experiment wird das ankommende Photon an einem optischen Resonator reflektiert. In dessen Zentrum befindet sich ein einzelnes Atom, das sich in einer Überlagerung aus zwei Zuständen befindet. Durch die Reflexion erfährt diese Überlagerung eine Phasenänderung, deren Messung die Existenz des Photons nachweist. Die neue Methode eröffnet die Perspektive, die Nachweiseffizienz für einzelne Lichtquanten erheblich zu steigern. Darüber hinaus hat sie große Bedeutung für alle Experimente, die Photonen für die Kodierung und Kommunikation von Quanteninformation nutzen.
Die zentralen Bausteine in diesem Experiment bilden ein einzelnes Rubidiumatom und ein optischer Resonator, der aus zwei hochreflektierenden Spiegeln in einem sehr kleinen Abstand besteht. Das Atom wird durch starke Lichtfelder aus drei Richtungen im Zentrum des Resonators festgehalten. Es besitzt zwei durch verschiedene Anregungsenergien charakterisierte Grundzustände. Der so aufgebaute Photonendetektor wird mit sehr schwachen Laserpulsen bestrahlt, die im Durchschnitt weniger als ein Lichtquant enthalten.
Einer der beiden Grundzustände ist sowohl gegenüber dem ankommenden Photon als auch gegenüber dem Resonator verstimmt. Hier kann das Photon zwar in den Hohlraum zwischen den Spiegeln gelangen, aber nicht mit dem Atom in Wechselwirkung treten. Aufgrund der besonderen Eigenschaften des Resonators verlässt das Photon diesen auf dem gleichen Weg, auf dem es gekommen ist. Im anderen Grundzustand ist das Atom mit dem Resonator und dem eintreffenden Photon resonant. Hier bilden Atom und Resonator eine stark gekoppelte Einheit, die sich ganz anders als die beiden Einzelsysteme verhält. Im Gegensatz zum ersten Fall kann das Lichtquant nicht in den Resonator eindringen, sondern wird am ersten Spiegel reflektiert. In beiden Fällen wird das zerbrechliche Lichtquant reflektiert und damit nicht absorbiert und zerstört.
„Trotzdem hat das Photon seine Spur in dem Atom hinterlassen“, erklärt Andreas Reiserer, Doktorand am Experiment und Erstautor der Publikation. „Der Trick dabei ist, dass wir das Atom in einer Überlagerung beider Grundzustände präparieren. In dem Moment, in dem das Photon reflektiert wird, erfährt der resonante Zustand eine Phasenverschiebung relativ zu dem nichtresonanten. Diese Phasenverschiebung können wir aus dem Atom auslesen. So erreichen wir, dass das Photon die Detektion überlebt, und zwar ohne Änderung seiner Freiheitsgrade wie zum Beispiel seiner Pulsform oder Polarisation.“
Für die Messung der Phasenverschiebung des atomaren Zustands kommen Standardtechniken zur Anwendung. „Salopp gesprochen leuchtet das Atom auf, wenn wir es nach der Reflexion eines Photons testen“, führt Dr. Stephan Ritter aus, Wissenschaftler am Experiment. Um die Zuverlässigkeit der Methode unter Beweis zu stellen, wurden die reflektierten Photonen außerdem noch einmal mit normalen Photodetektoren nachgewiesen. „Auf diese Weise registrieren wir das Photon zweimal, was allein mit auf Absorption beruhenden Detektoren nicht möglich ist. Mit unserem Prototyp-Experiment erreichen wir eine Nachweiseffizienz von rund 74 %, was schon jetzt besser ist als die 60%, die typische destruktive Detektoren erreichen“, erläutert Ritter. „Der erreichte Wert ist nicht durch fundamentale Effekte beschränkt, sondern durch Unzulänglichkeiten, an deren Beseitigung wir in Zukunft arbeiten können.“
Einzelne Photonen nachweisen zu können ohne sie zu zerstören oder ihre Freiheitsgrade zu verändern ebnet den Weg für eine Reihe neuer Experimente. So kann das Photon durch die Kombination mehrerer zerstörungsfreier Geräte wiederholt nachgewiesen werden. Dadurch können einzelne Photonen in der Kommunikation und Verarbeitung von Quanteninformation weit vielseitiger als bislang genutzt werden. Die erfolgreiche Übertragung eines Photons in einem Quantennetzwerk könnte nachgewiesen werden, ohne die darin enthaltene zerbrechliche Quanteninformation zu zerstören. Der hier geschilderte Nachweismechanismus bietet auch die Option, zwischen dem reflektierten Photon und dem einzelnen gefangenen Atom, oder sogar zwischen zwei Photonen ein deterministisches, universelles Quantengatter zu realisieren. Da Quantengatter die funktionellen Grundbausteine für einen zukünftigen Quantencomputer darstellen, ginge dann ein weiterer, lange gehegter Traum der Quantenphysiker in Erfüllung. Olivia Meyer-Streng