Mit einem Laserlineal auf der Jagd nach Planeten
Laser-Frequenzkämme können jetzt als Kalibrationsquellen an astronomischen Spektrographen eingesetzt werden.
Dies erleichtert die Suche nach extrasolaren Planeten, die einen Stern außerhalb unseres Sonnensystems umkreisen. Eine verbesserte Kalibration könnte es außerdem ermöglichen, selbst sehr kleine Änderungen der Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums direkt zu messen.
Laser-Frequenzkämme haben seit ihrer Erfindung vor circa 10 Jahren in vielen Laserlaboren Einzug gehalten. Ursprünglich für die Erkundung der Quantenwelt gedacht, sind sie heute dabei, sich einen festen Platz in der Astronomie und Astrophysik zu erobern. Ein Team von Wissenschaftlern aus der Abteilung Laserspektroskopie von Prof. Theodor W. Hänsch am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (Garching) hat jetzt in Zusammenarbeit mit der Europäischen Südsternwarte (ESO), dem Instituto de Astrofísica de Canarias und der Firma Menlo Systems GmbH (Martinsried) die Frequenzkammtechnik so modifiziert, dass sie für die Kalibrierung astronomischer Spektrographen eingesetzt werden kann (Nature, 31. Mai 2012, DOI:10.1038/nature11092). Testmessungen am High Accuracy Radial velocity Planet Searcher (HARPS) – einem Spektrographen an dem 3,6-Meter-Teleskop der ESO am La Silla Observatorium in Chile – ergaben, dass damit eine zehnmal höhere Genauigkeit als mit traditionellen Spektrallampen erreicht wird. Dies wird die Suche nach erdähnlichen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems erheblich erleichtern. Damit soll letztendlich die Frage beantwortet werden, ob unser Sonnensystem der einzige Ort im Universum ist, an dem die Bedingungen für die Entstehung von Leben – wie wir es kennen – erfüllt sind.
Exo-Planeten lassen sich aber selbst mit den größten Teleskopen nicht direkt abbilden. Eine der besten Nachweismethoden beruht auf der Messung der Dopplerverschiebungen im Spektrum des Muttersterns, der unter dem Einfluss des Planeten periodische Rückstoßbewegungen ausführt.
Das von Sternen zu uns gelangende Licht enthält zahlreiche Linien, die für die verschiedenen chemischen Elemente in seiner Gashülle charakteristisch sind. Bewegt sich der Stern auf den Beobachter zu oder von ihm weg, dann verschieben sich diese Linien zu leicht höheren oder niedrigeren Frequenzen. Die Messung dieser Dopplerverschiebung erlaubt daher Rückschlüsse auf die Bewegung der Sterne. Sie hat sich in den letzten Jahren als besonders erfolgreich bei der Suche nach Exo-Planeten erwiesen. Denn wenn diese ihren Mutterstern umkreisen, versetzen sie ihm einen kleinen Rückstoß, so dass sich seine Geschwindigkeit ändert – allerdings nur verhältnismäßig wenig. (Zum Vergleich: Die Sonne legt bei ihrem Weg um das galaktische Zentrum 220 Kilometer in der Sekunde zurück. Der Rückstoß, den die Erde auf die Sonne ausübt, beträgt dagegen nur rund neun Zentimeter in der Sekunde.)
Die daraus folgende Dopplerverschiebung im Sternenspektrum ist daher sehr klein und nur mit hochpräzisen Messinstrumenten nachzuweisen. Eine Größe zu messen heißt, sie mit einem kalibrierten Maßstab zu vergleichen. Die Genauigkeit bei der Bestimmung von Spektrallinien war bislang dadurch begrenzt, dass sich die Eigenschaften der Kalibrationsquellen selbst (z.B. einer Thorium-Spektrallampe) im Laufe der Zeit altersbedingt änderten. Die Ende der 90 Jahre entwickelten Frequenzkämme, für die Theodor W. Hänsch 2005 gemeinsam mit John Hall den Nobelpreis für Physik bekam, steigerten die Genauigkeit der Frequenzbestimmung von Licht erheblich. 2005 schlossen sich das MPQ und die ESO daher zu einer Kooperation zusammen, um diese Technik für die Kalibrierung von Spektrographen zu erproben. Nachdem erste Tests am VTT-Teleskop auf Teneriffa im Jahr 2008 sehr erfolgreich verlaufen waren, begannen die Wissenschaftler mit der Entwicklung eines Frequenzkamms für den HARPS-Spektrographen am La Silla Observatorium in Chile.
Abb. 1: Nutzung des Dopplereffektes bei der Suche nach Exo-Planeten: Unter dem Einfluss eines Planeten (roter Ball) führt ein Stern (gelber Ball) periodische Rückstoßbewegungen aus. Bewegt er sich dabei in Richtung des Beobachters (oben), dann erscheinen die Lichtwellen gestaucht, d.h. die Frequenzen nach oben verschoben. Man spricht hier von „Blauverschiebung“. Bewegt sich der Stern dagegen vom Beobachter weg (siehe unten), dann werden die Wellen praktisch auseinander gezogen, was einer „Rotverschiebung“ zu niedrigeren Frequenzen entspricht. Grafik: Th. Udem, MPQ
Ein Frequenzkamm wird von einem Laser erzeugt, dessen Licht aus einem diskreten Spektrum aus vielen äquidistanten Linien besteht. Jeder Spektrallinie wird mittels elektronischer Regelung die Genauigkeit einer angeschlossenen Atomuhr aufgeprägt. Ein Vergleich der Spektrallinien eines Sterns mit den Linien dieses zeitlich unveränderlichen „Laserlineals“ ermöglicht dann die Messung kleinster Variationen des Sternenlichts, hervorgerufen z.B. durch einen Planeten. Für den Einsatz in Spektrographen waren jedoch einige technische Herausforderungen zu meistern. Auch Präzisionsspektrographen wie HARPS haben eine begrenzte Auflösung, typischerweise von ca. 105. Der Linienabstand in dem zu entwickelnden Frequenzkamm muss daher mit etwa 10 GHz deutlich größer sein um aufgelöst zu werden. Außerdem arbeiten astronomische Spektrographen im sichtbaren Spektralbereich, da das Sternenlicht hier besonders strukturreich ist.
Als Basis für den Frequenzkamm wurde ein Faserlaser-System gewählt, um einen für Störungen unempfindlichen und wartungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Faserlaser-Systeme emittieren jedoch Licht im infraroten Spektralbereich, mit Linienabständen von wenigen 100 MHz. Mit Hilfe einer Kaskade von mehreren spektralen Filtern sowie durch die Verwendung neuartiger Spezialfasern (gefertigt in der Gruppe von Philip Russell am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, Erlangen) gelang es, einen Frequenzkamm mit dem benötigten Linienabstand und einem breiten Spektrum im sichtbaren Bereich zu erzeugen. Die Kalibrierung von HARPS mit diesem Frequenzkamm erlaubt es, Geschwindigkeitsänderungen bis hinunter zu 2,5 cm/s zu detektieren. Dies wurde bei Messungen im November 2010 und Januar 2011 erfolgreich getestet. Die Stabilität des Systems über längere Zeiträume wies das Physiker-Team nach, indem es einen Stern mit einem bereits bekannten Planeten mehrere Nächte lang beobachtete.
Abb. 2: Ein Frequenzkamm ist eine Lichtquelle mit einem kammartigen Spektrum. Der Frequenzabstand fr zwischen benachbarten Linien ist immer exakt gleich und wird über eine Atomuhr stabil gehalten. Der Frequenzkamm wird fasergekoppelt zu dem Spektrograph (angedeutet durch ein Gitter) geleitet. Der Spektrograph zerlegt das Spektrum in seine Farben, d.h. seine Frequenzanteile. Anschließend wird das Licht mit einem CCD-Detektor aufgenommen und das kammartige Spektrum erscheint als eine Reihe von Punkten, wobei jeder Punkt genau einer Linie des Frequenzkamms entspricht. Dieses "Laserlineal" kann nun genutzt werden um den Spektrographen zu kalibrieren.Grafik: T. Wilken, MPQ
Beflügelt von diesem Erfolg verfolgen die Wissenschaftler jetzt ein noch ehrgeizigeres Ziel als den Nachweis von Exo-Planeten. Astronomische Beobachtungen haben eindeutig belegt, dass sich das Universum im Laufe der Zeit ausdehnt. Die Interpretation neuer Messungen der kosmischen Hintergrundstrahlung und die Beobachtung von Supernovae legt nahe, dass diese Ausdehnung immer schneller wird. Allerdings ist die Beschleunigung äußerst gering, sie liegt bei jährlich einem Zentimeter in der Sekunde. Solche extrem kleinen Geschwindigkeitsänderungen soll einmal das European Extremely Large Telescope (E-ELT) messen, das die ESO in etwa 10 Jahren in Chile aufzubauen plant. Durch den Einsatz hochpräziser Frequenzkämme kann der dafür konzipierte CODEX-Spektrograph mit einer Genauigkeit von 1 zu 300 Milliarden kalibriert werden – das ist, als würde man den Umfang der Erde auf einen halben Millimeter genau messen. Olivia Meyer-Streng
Kontakt:
Dr. Ronald Holzwarth
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Straße 1, 85748 Garching bei München
Telefon: +49 (0)89 / 32905 -262
E-Mail: ronald.holzwarth@mpq.mpg.de
Dr. Tobias Wilken
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Straße 1, 85748 Garching bei München
Telefon: +49 (0)89 / 32905 -285
E-Mail: tobias.wilken@mpq.mpg.de
Dr. Olivia Meyer-Streng
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
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E-Mail: olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de