Mit Laserpuls auf das einzelne Molekül
Physikern am MPQ gelingt es, die innere Dynamik einzelner Moleküle mit Femtosekundenpulsen im UV-Bereich zu aufzulösen.
Große Lasersysteme liefern heute ultrakurze und hochintensive Lichtpulse, die es im Prinzip erlauben, Materie und ihre Dynamik auf atomaren Skalen abzubilden, bis hin zu einzelnen Viren oder Molekülen. Aber bisher war es nicht möglich, solche Pulse zielgenau einem einzelnen Molekül zu überlagern. Die Gruppe von Prof. Tobias Schätz (Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und Universität Freiburg) hat nun einen Ausweg aus diesem Dilemma gefunden. Die Physiker speichern die einzelnen Moleküle mit der bewährten Ionenfallentechnik und beschießen sie dann mit hochintensiven Femtosekunden-Pulsen, die ihnen das Labor für Attosekundenphysik am MPQ zur Verfügung stellt (Nature Physics, AOP, 5. Februar 2012, DOI 10.1038/NPHYS2214). Mit den Lichtpulsen im UV-Bereich, die sie derzeit verwenden, können sie die innere Schwingungsdynamik eines einzelnen Magnesiumhydrid-Moleküls, das aus zwei Atomen besteht, auflösen. „Wir können uns aber vorstellen, dass unsere Methode einmal das Standardverfahren wird, um große Biomoleküle mit Röntgenpulsen zu untersuchen“, erklärt Tobias Schätz.
Für die Untersuchung der Struktur von biologischen Molekülen, z.B. von Proteinen, gibt es bislang keine befriedigende Methode. Das gängige Verfahren basiert auf der Streuung von Röntgenstrahlen an Kristallen und scheitert daran, dass sich die Moleküle nur schwer oder gar nicht in die kristalline Form eines Festkörpers bringen lassen. Für die Abbildung einzelner oder weniger Moleküle reichte bislang die Intensität der zur Verfügung stehenden Lichtquellen nicht aus. Denn bis die Moleküle die hierfür erforderliche Zahl von rund 1013 Photonen aufgesammelt haben, ist ausreichend Zeit vergangen, um sie infolge der dabei erhaltenen Strahlenschäden zu zerstören. Überdies machen es lange Expositionsdauern unmöglich, die hohe Zeitauflösung zu erreichen, die notwendig ist, um kurzlebige Zwischenprodukte oder schnelle Strukturveränderungen zu analysieren.
Die neue Generation von Röntgen-Femtosekunden-Lasern verspricht, diese Hürden zu überwinden. Denn sie liefert Lichtpulse, die mit einer Dauer von wenigen Femtosekunden (1 Femtosekunde ist ein Millionstel von einer Milliardstelsekunde, 10-15 sec) kurz genug sind, um die Moleküle durch Photonenstreuung abzubilden, bevor Strahlenschäden „sichtbar“ werden können. Außerdem kann der Strahldurchmesser auf die Größe eines Moleküls, etwa ein Zehntel Mikrometer, fokussiert werden. Doch wie schafft man es, ein Molekül so genau zu positionieren, dass man den Laserpuls dann zielgenau überlagern kann?
Für die kontrollierte Speicherung einzelner elektrischer geladener Atome, d.h. Ionen, hat sich seit vielen Jahrzenten die so genannte Ionenfalle bewährt. Dabei handelt es sich im Prinzip um ein evakuiertes Gefäß, in dem vier Elektroden so schnell (mit Radiofrequenzen, d.h. ca. 107 Hertz) zwischen Plus und Minus hin und her geschaltet werden, dass sie einzelne, auf extrem tiefe Temperaturen gekühlte Ionen im Zentrum der Falle halten. „Schwebend“ und gut isoliert von ihrer Umgebung können die Teilchen mehrere Stunden überleben. Füllt man in die Falle mehrere Ionen, dann bilden sich aufgrund ihrer wechselseitigen Abstoßung geordnete Strukturen aus. Obwohl der Begriff „kristalline Struktur“ gerechtfertig ist, sind die Abstände rund 100 000 Mal größer als in Festkörperkristallen, wodurch sich einzelne Gitterplätze leicht auflösen lassen.
Auf Moleküle ist diese Methode nicht so ohne weiteres anzuwenden, da sie sich mit den entsprechenden Methoden nicht direkt abkühlen lassen. Die Garchinger Physiker haben nun ein einzelnes Molekül in einen bereits vorhandenen Ionenkristall eingebettet. In ihrem Experiment schalten sie dazu zwei Ionenfallen hintereinander. In der ersten Falle werden unter Einstrahlung von Licht aus Magnesiumdampf und Wasserstoff in einer photochemischen Reaktion Molekülionen erzeugt, die aus je einem Magnesium und einem Wasserstoffatom bestehen (MgH+, bzw. Magnesiumhydrid). Diese zweiatomigen Moleküle werden in eine zweite Ionenfalle überführt, in der sich bereits atomare Magnesiumionen in einem gegenseitigen Abstand von 10 Mikrometern zu einem Gitter angeordnet haben. Unter dem Einfluss der kalten Atome kommt auch das einzelne Molekülion nahezu zum Stillstand und ersetzt eines der atomaren Ionen im Kristallgitter. Während sich jedoch die atomaren Ionen durch Fluoreszenzlicht zu erkennen geben, bleibt der Gitterplatz mit dem Molekül dunkel. Die Position des Moleküls kann jetzt durch Interpolation aus der Position seiner beiden leuchtenden Nachbarn auf weniger als ein Mikrometer genau abgeleitet werden.
Damit sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, das Teilchen zielgenau und mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit mit Femtosekunden-Laserpulsen zu treffen. Dabei wird das Molekül, das sich zunächst im Vibrationsgrundzustand befindet, mit einem ersten Puls in einen Zustand angeregt, bei dem die beiden Atome mit einer Periode von 30 Femtosekunden gegeneinander schwingen. Ein zweiter Puls testet wenig später, in welcher Phase des Schwingungszyklus sich das Molekül gerade befindet. Am Umkehrpunkt, also nach 15 Femtosekunden, ist der Abstand zwischen den beiden Atomen am größten. Trifft der Abfrage-Puls genau zu diesem Zeitpunkt auf das Molekül, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Bindung zwischen den zwei Atomen zerbricht, am größten. Infolgedessen verschwindet der dunkle Fleck im Ionenkristall (siehe Abb.).
„In unserem Experiment könnten wir die Moleküle im Takt der Laserpulse zur Verfügung stellen, d.h. rund 100 in der Sekunde“, erklärt Tobias Schätz. „Auf diese Weise kommt immer Nachschub für das bereits bestrahlte und letztendlich zerstörte Molekül. Indem wir bei den verschiedenen Molekülen die Verzögerungszeiten zwischen Anrege- und Abfrage-Puls variieren, können wir die Schwingungsdynamik des zweiatomigen Moleküls auflösen. Dies ist nur möglich, weil die Pulse mit einer Dauer von wenigen Femtosekunden wesentlich kürzer als die Schwingung des Moleküls sind.“
Bei den hier beschriebenen Experimenten wurde Laserpulse im UV-Bereich verwendet, um die Machbarkeit der Methode zu demonstrieren. Mit Röntgenpulsen ließe sie sich auch auf Biomoleküle anwenden, die in der Natur häufig in geladener Form vorkommen und die mit standardisierten Verfahren erzeugt werden können. Die hohe Intensität und die kurze Dauer der Röntgen-Laserpulse sollten es dann erlauben, nützliche Informationen über die Struktur des einzelnen Moleküls zu erhalten, bevor es aufgrund der Strahlen geschädigt ist. Das Experiment könnte der Schlüssel werden, um in Zukunft einzelne komplex aufgebaute Moleküle mit der erforderlichen Genauigkeit und Effizienz zu untersuchen. Olivia Meyer-Streng
Kontakt:
Prof. Dr. Tobias Schätz
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Dr. Olivia Meyer-Streng
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