Pulsierende Leere

Physiker des Labors für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik haben erstmals beobachtet was an dem Platz in einem Atom passiert, an dem ein einzelnes Elektron herausgeschlagen wurde.

5. August 2010

Ein internationales Team vom Labor für Attosekundenphysik (www.attoworld.de), unter der Leitung von Prof. Ferenc Krausz am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München hat erstmals beobachtet, was quantenmechanisch an dem Ort in einem Edelgasatom passiert, an dem kurz zuvor ein Elektron aus der Umlaufbahn herausgeschlagen wurde. Sie berichten darüber im Wissenschaftsmagazin „Nature“ (5th August 2010, Doi:10.1038/nature09212). Die Forscher benutzten dazu Lichtpulse, die nur wenig über 100 Attosekunden lang dauerten. Neben den Münchner Laserphysikern waren an der Kooperation auch Forscher aus Saudi-Arabien und den USA beteiligt.

Quantenteilchen, wie Elektronen, sind flüchtige Zeitgenossen. Wo genau sich Elektronen in einem Atom aufhalten, kann niemand sagen. Die Elementarteilchen folgen den Gesetzen der Quantenmechanik. Dabei ergibt sich die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Partikel durch eine Art pulsierende Wolke. Die Bewegung von Elektronen auf ihren Umlaufbahnen um Atome, dauern nur wenige Attosekunden. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer milliardstel Sekunde. Was genau die Elementarteilchen im Dunstkreis der Atome jedoch anstellen, ist bis heute weitgehend unbekannt. Fest steht, dass man nicht zeitgleich die Bewegung und den Aufenthaltsort eines Teilchens bestimmen kann. Deswegen ergibt sich eine Art Wolke für die quantenmechanische Beschreibung der Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Elementarteilchen.

Jetzt ist dem internationalen Team vom Labor für Attosekundenphysik (LAP) erstmals die Beobachtung gelungen, wie sich die Elektronenwolke zeitlich bewegt, wenn eines der Elektronen im Atom durch einen Lichtpuls herausgelöst wird. Mit dabei in der Forschungs-Kooperation waren Physiker des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (Garching), der Ludwig-Maximilians-Universität München, der King-Saud-Universität (Riad, Saudi-Arabien), des Argonne National Laboratory (USA) und der University of California, Berkeley (USA).

Bei ihren Experimenten ließen die Physiker Laserpulse aus dem sichtbaren Bereich des Spektrums auf Kryptonatome treffen. Die Lichtpulse mit einer Dauer von weniger als vier Femtosekunden schlugen aus den äußeren Schalen der Atome jeweils ein Elektron heraus (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde).

Nachdem ein Laserpuls aus einem Atom ein Elektron herausgeschlagen hat, wird das Atom zum positiv geladenen Ion. An der Stelle, an der das Elektron das Atom verlassen hat entsteht ein positiv geladenes Loch. Quantenmechanisch gesehen pulsiert dieser freie Platz nun im Atom weiter als sogenannte Quantenschwebung.

Das Pulsieren konnten die Physiker nun mit einem zweiten Lichtpuls, der nur noch rund 150 Attosekunden dauerte und sich im Extremen ultravioletten Licht befand, direkt beobachten, also quasi fotografieren. Es stellte sich heraus, dass sich die Position des Lochs im Ion, also der positiv geladenen Stelle, sich innerhalb von nur rund sechs Femtosekunden zyklisch zwischen einer langgestreckten keulenartigen und einer kompakten zusammengezogenen Form hin und her bewegt. „Damit ist es uns zum ersten Mal gelungen, die Veränderung einer Ladungsverteilung in einem Atom direkt aufzuzeichnen“, erklärt Dr. Eleftherios Goulielmakis, Forschungsgruppenleiter im Team von Prof. Krausz.

„Mit unseren Experimenten haben wir einen einzigartigen Echtzeit-Einblick in den Mikrokosmos erhalten“, erläutert Ferenc Krausz. „Wir haben erstmals die quantenmechanischen Vorgänge in einem ionisierten Atom mit Attosekunden-Lichtblitzen aufgezeichnet.“ Die Erkenntnisse der LAP-Forscher helfen, die Dynamik von Elementarteilchen außerhalb des Atomkerns besser zu verstehen. Diese blitzschnelle Dynamik ist vor allem verantwortlich für den Ablauf biologischer und chemischer Prozesse.

Ein genaueres Wissen um diese Vorgänge wird künftig zur besseren Kenntnis der mikroskopischen Ursachen der Entstehung schwerer Krankheiten führen. Ebenso dient das Verständnis der ultraschnellen Prozesse zur schrittweisen Beschleunigung der elektronischen Datenverarbeitung in Richtung der ultimativen Grenzen der Elektronik. Thorsten Naeser

Abbildung: Eine Abfolge von Einzelbildern zeigt das Geschehen an dem Ort im Atom, an dem zuvor ein Elektron herausgelöst wurde. Quantenmechanisch betrachtet pulsiert der freie Platz weiter als sogenannte Quantenschwebung. Grafik: Dr. Christian Hackenberger/LMU

Nature Cover: Mit Hilfe der Attosekunden-Technologie ist es möglich, Elektronenbewegungen von einem Quantenzustand hin zum nächsten in Echtzeit zu verfolgen. Man ist in der Lage, die ultraschnellen Sprünge von Elektronen sichtbar zu machen, die sich auf der äußeren Schale des Edelgasatoms Krypton abspielen. Diese Elektronen dienen als Bindeglieder zwischen zwei Atomen. Das Grundlagenexperiment zeigt, dass die Attosekunden-Spektroskopie Elektronenbewegungen in Molekülen und Festkörpern sichtbar machen kann. Mit ihr können ebenso physikalische, chemische und biologische Prozesse kontrolliert werden. Das Titelbild zeigt in einer Abfolge von Einzelbildern das Geschehen an dem Ort im Kryptonatom, an dem zuvor ein Elektron herausgelöst wurde. Quantenmechanisch betrachtet pulsiert der freie Platz weiter als sogenannte Quantenschwebung. Grafik: Christian Hackenberger, Ludwig-Maximillians Universität, München

Weiteres Bildmaterial zum Thema ist erhältlich unter: http://www.attoworld.de/Home/newsAndPress/BreakingNews/index.html

Kontakt:

Prof. Dr. Ferenc Krausz
Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
Telefon: +49 (0)89 32905 -612 / Fax: -649
E-Mail:   ferenc.krausz@mpq.mpg.de
http://www.attoworld.de

Dr. Eleftherios Goulielmakis
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
Telefon: +49 (0)89 32 905 -632 / Fax: -200
E-mail:   elgo@mpq.mpg.de

Dr. Olivia Meyer-Streng
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Telefon: +49 (0)89 32905 -213
E-Mail:   olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de

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