Mikrowellen für die Quanteninformation

MPQ-LMU-Physiker nutzen Mikrowellen für Doppelspaltexperiment mit Atomen

6. Juli 2009

Seit geraumer Zeit können atomare Wolken auf Mikrochips - sogenannten ‚Atomchips‘- über längere Zeit gespeichert und manipuliert werden. Dies erlaubt zum einen Experimente, die der Beantwortung fundamentaler Fragen dienen. Da die Atomchips präzise Kontrolle über atomare Quantensysteme mit einem kompakten chip-basierten experimentellen Aufbau kombinieren, sind sie jedoch auch interessant für Anwendungen. So wurde mit dieser Technik bereits eine chip-basierte Atomuhr realisiert, die für den portablen Einsatz geeignet ist. Ein Team von Wissenschaftlern um Professor Theodor W. Hänsch und Dr. Philipp Treutlein (Ludwig-Maximilians-Universität München und Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching) haben nun erstmals chip-basierte atomare Quantengase mit Mikrowellenfeldern manipuliert. Wie sie in der Zeitschrift Nature Physics (Advance Online Publication, DOI:10.1038/Nphys1329, 5. Juli 2009) berichten, konnten sie mit deren Hilfe eine Art Doppelspaltexperiment für Atome durchführen. Als ‚Atominterferometer‘ eignen sich Atomchips auch als präzise Sensoren z.B. für extrem schwache elektromagnetische Felder oder kleine Änderungen in der Gravitationskraft. Die hier verwendete Mikrowellentechnik ist aber auch der Schlüssel für die Realisierung von Quantengattern, wie sie für den chip-basierten Quantencomputer gebraucht werden.

Was dem einen recht ist, ist dem andern billig: Mikrostrukturierte Chips, wie sie für herkömmliche Rechner entwickelt wurden, dienen Quantenphysikern heute als Labor, um atomare Quantengase gezielt zu manipulieren. Realisiert wurde die erste chip-basierte Atomfalle im Jahre 1999 von einer Gruppe um Theodor Hänsch und Jakob Reichel. Die Wissenschaftler erkannten, dass sich die Magnetfelder, welche mit den elektrischen Strömen in den Leiterbahnen verknüpft sind, nutzen lassen, um einzelne Atome oder auch atomare Wolken in einem Abstand von wenigen Mikrometern von der Chipoberfläche einzufangen, schwebend zu halten und ihren Zustand zu verändern. Dies war die Geburtsstunde des „Atomchips“.

In dem hier beschriebenen Experiment wird eine Wolke von Rubidiumatomen, die gut von der Umgebung isoliert ist, auf diese Weise auf dem Chip eingefangen und dann mit Hilfe von speziellen Kühlverfahren (der Laserkühlung und der Verdampfungskühlung) auf wenige Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Bei diesen Temperaturen bilden die Atome ein Bose-Einstein-Kondensat (BEC), einen neuartiger Quantenzustand der Materie, der 1924 von Bose und Einstein vorhergesagt und 1995 erstmals im Labor realisiert wurde. In dieser Phase befinden sich sämtliche Freiheitsgrade der Atome, sowohl ihre Bewegungs- als auch ihre internen Zustände, in ein und demselben wohl definierten Quantenzustand. Dieser kann dann mit Hilfe des Chips manipuliert werden um grundlegende Fragen der Quantenphysik wie Welle-Teilchen-Dualismus oder Verschränkung zu untersuchen.

Mit einem solchen System haben die Physiker aber bereits auch Anwendungen wie z. B. eine chip-basierte Atomuhr realisiert, die für den portablen Einsatz geeignet ist. Dazu nutzten sie aus, dass die Atome in dem BEC in eine quantenmechanische Überlagerung (Superposition) von zwei verschiedenen internen Zuständen gebracht werden können und die Übergangsfrequenz zwischen den beiden Zuständen als Referenz für Zeitmessungen dienen kann. Der quantenmechanische Zustand der Atome blieb dabei über eine Sekunde lang erhalten. Dies ist eine Voraussetzung für präzise Atomuhren sowie die interferometrischen Messungen, wie sie nun im nächsten Schritt durchgeführt wurden.

Das hier verwirklichte Atominterferometer basiert auf einer neuen Technik: die Physiker integrierten erstmals Mikrowellenfelder auf dem Chip. Dabei dient ein kurzer Puls des ersten Mikrowellenfelds der Präparation des internen Zustands der Atome in dem quantenmechanischen Superpositionszustand. Ein zweites Mikrowellenfeld erzeugt ein Potential, das die Atome abhängig vom internen Zustand beeinflusst. Dadurch kommt es zu einer kohärenten Aufspaltung des BEC in zwei räumlich getrennte Materiewellenpakete. Nimmt man zu dieser Zeit ein Bild auf, sieht man zwei räumlich deutlich getrennte atomare Wolken. Werden die beiden BEC-Wellenpakete jedoch (ohne ein Bild aufzunehmen) durch Herunterfahren des Mikrowellenpotentials und einen zweiten Puls zwischen den internen Zuständen wieder kohärent überlagert, so beobachtet man Interferenz. Auf diese Weise wurde nachgewiesen, dass sich die Atome im aufgespalteten Zustand in einer quantenmechanischen Überlagerung von zwei deutlich getrennten Orten befunden haben – eine Variante des Doppelspaltexperiments mit Atomen.

Um Interferenz zu beobachten, muss der Superpositionszustand der Atome über die gesamte Dauer des Aufspaltens und Wiedervereinigens erhalten bleibt. Insbesondere darf die Phase der Superposition nicht durch unkontrollierte Schwankungen der Potentiale oder Einflüsse der Umgebung gestört werden. Die Beobachtung eines stabilen Interferenzmuster ist der Nachweis, dass diese Bedingungen im vorliegenden Experiment erfüllt wurden.

Die Phase des Interferenzmusters ist empfindlich auf externe Kräfte, z.B. auf die Gravitation oder auf elektromagnetische Felder, was zur Messung dieser Kräfte herangezogen werden kann. Eine Besonderheit dieses Atominterferometers besteht darin, dass die Phase nicht nur über den Bewegungszustand, sondern auch über den internen Zustand der Atome ausgelesen werden kann, ähnlich wie bei einer Atomuhr. Dies führt zu einer höheren Auflösung beim Auslesen des Interferometers, da nur die Atomzahl in den beiden Zuständen bestimmt und nicht das Interferenzmuster räumlich aufgelöst werden muss.

Die Eigenschaft der Mikrowellenpotentiale, auf die beiden internen Zustände unterschiedlich zu wirken, ist ein Schlüssel zur Erzeugung von neuartigen Quantenzuständen des Bose-Einstein-Kondensats, wie z.B. ‚gequetschten‘ bzw. ‚squeezed states‘. Hier wird die Genauigkeit für eine der beiden durch die Heisenbergsche Unschärferelation verknüpften quantenmechanischen Größen auf Kosten der anderen erhöht. Mit solchen gequetschten Zuständen lässt sich z.B. die Präzision, mit der die Phase des Interferometers ausgelesen werden kann, weiter steigern. Im vorliegenden Experiment konnten die Wissenschaftler erste Anzeichen für ‚Squeezing‘ beobachten, die nun genauer untersucht werden sollen.

Ein weiterer Anwendungsbereich, der noch etwas weiter in der Zukunft liegt, ist ein chip-basierter Quantencomputer. In diesem Kontext haben Atomchips den Vorteil, dass sie die exzellenten Kohärenzeigenschaften der Atome (quantenmechanische Superpositionszustände leben über eine Sekunde lang) mit einer skalierbaren, chip-basierten Technologie verbinden. Ein detailliertes theoretisches Konzept für ein Quantengatter auf einem Atomchip liegt bereits vor. Die in der vorliegenden Arbeit erstmals implementierten, auf Mikrowellen-Nahfeldern beruhenden Potentiale sind eine Schlüsseltechnologie für seine experimentelle Verwirklichung. [PT/OM]

Kontakt:

Prof. Dr. Theodor W. Hänsch
Lehrstuhl für Experimentalphysik, LMU München
Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Straße 1, 85748 Garching
Telefon: +49 (0)89 32 905 -702/712 / Fax: -312
E-Mail:   t.w.haensch@mpq.mpg.de

Dr. Philipp Treutlein
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
und LMU München, Fakultät für Physik
Schellingstr. 4/III, 80799 München
Telefon: +49 (0)89 2180 -3937 / Fax: -3938
E-Mail:   treutlein@lmu.de
http://www.munichatomchip.de

Dr. Olivia Meyer-Streng
Presse & Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Telefon: +49 (0)89 32 905 –213
E-Mail:   olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de

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