Ein Quantenlogikgatter zwischen Licht und Materie
Wissenschaftler am MPQ verarbeiten erstmals Quanteninformation mit einem System aus einem optischem Photon und einem gefangenen Atom.
Bei einer Reihe von Aufgaben wie dem Erkennen komplexer Muster oder der Entschlüsselung geheimer Nachrichtencodes stoßen herkömmliche Computer an ihre Grenzen. Eine neue Qualität bei der Kommunikation und Verarbeitung von Daten versprechen sich Forscher weltweit von einer Technologie, welche die besonderen Eigenschaften von Quantenteilchen wie Superposition und Verschränkung nutzt. Bei der Entwicklung von solchen Quantencomputern werden ganz unterschiedliche Konzepte verfolgt. Prof. Gerhard Rempe, Direktor am MPQ und Leiter der Abteilung Quantendynamik, setzt dabei auf die Strategie, zwei verschiedenartige Techniken, die Datenkommunikation mit Photonen und die Datenverarbeitung mit Atomen, miteinander zu verknüpfen. Sein Team hat jetzt erstmals mit einem hybriden System aus einem einzelnen Photon und einem einzelnen Atom ein logisches Quantengatter realisiert (Nature, DOI: 10.1038/nature13177, 10. April 2014). Diese Entwicklung könnte einen Meilenstein auf dem Weg zu einem skalierbaren und universellen Quantencomputer markieren.
Alle heutigen Rechenmaschinen arbeiten nach einem mathematischen Konzept, das der deutsche Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz bereits vor mehr als 300 Jahren entwickelt hat. Danach können Informationen im Binärsystem kodiert und mit Hilfe logischer Operatoren verarbeitet werden. Die darauf basierenden logischen Gatter haben die Aufgabe, aus einer Kombination von binären Eingangssignalen gemäß einer sogenannten Wahrheitstabelle eindeutige Ausgangssignale zu generieren. Moderne Computer enthalten viele Millionen solcher Gatter in Form elektronischer Schaltungen.
In dem hier beschriebenen Experiment werden die binären Zustände 0 und 1 durch die beiden Spin-Richtungen (aufwärts oder abwärts) eines einzelnen Atoms bzw. durch die beiden Polarisationszustände (links oder rechts drehend) eines einzelnen optischen Lichtquants dargestellt. Im Unterschied zu klassischen Bits können sich diese „Quantenbits“ auch in einer Überlagerung (Superposition) der zwei Zustände befinden. Für die Realisierung des Quantengatters wird das Atom in einem aus zwei Spiegeln höchster Güte gebildeten Resonator eingefangen. Die Eigenschaften des Resonators werden so gewählt, dass er mit dem Atom ein stark gekoppeltes System bildet. Die Lichtquanten werden in Form von schwachen Laserpulsen präpariert, die im Mittel weniger als ein Photon enthalten.
Bereits in einem früheren Experiment wurde gezeigt, dass die Lichtquanten bei geeigneter Wahl der Parameter immer reflektiert werden. Entscheidend dabei ist, dass die Photonen bei bestimmten Kombinationen aus atomaren und photonischen Eingangszuständen direkt am ersten Spiegel des Resonators reflektiert werden. Bei anderen Kombinationen dringen sie dagegen zunächst in den Resonator ein, verlassen ihn dann aber wieder auf demselben Weg, wobei sie eine Phasenverschiebung von 180 Grad erfahren. „Diese Phasendifferenz ist die Voraussetzung für die Umsetzung einer Wahrheitstabelle, die jeder Bit-Kombination des Eingangssignals eindeutige Ausgangssignale zuordnet, ganz analog zu einem klassischen Logikgatter“, erklärt Dr. Stephan Ritter.
„In unserem Experiment bestimmen wir sowohl die Polarisation der reflektierten Photonen als auch die Spin-Orientierung des Atoms nach der Gatteroperation. Die gemessenen Daten stimmen gut mit den theoretischen Vorhersagen überein. Die Effizienz des Gatters beträgt momentan knapp 70%. Dieser Wert ließe sich durch Verbesserungen der Spiegelparameter noch deutlich steigern.“, erläutert Andreas Reiserer.
Das hybride System aus Photon und Atom kann somit ein klassisches Logikgatter nachbilden. Die wahre Überlegenheit eines Quantenlogikgatters steckt jedoch in der Möglichkeit, aus zwei getrennten Eingangszuständen miteinander verschränkte Ausgangszustände zu erzeugen. Um diese Eigenschaft zu überprüfen, wurde in einem weiteren Versuch eine Bit-Kombination als Eingangssignal gewählt, die nach den Regeln der Quantenmechanik zu einer Verschränkung von Atom und Photon nach der Gatteroperation führen muss. Auch hier funktionierte das Gatter den Erwartungen entsprechend.
Indem sie das Atom-Resonator-System innerhalb einer kurzen Zeitspanne mit zwei Laserpulsen bestrahlten, erzielten die Physiker sogar eine Verschränkung des Atoms mit zwei Lichtquanten. In einem nächsten Schritt manipulierten sie die Eigenschaften des Atoms so, dass es aus der Verschränkung gelöst wurde. Übrig blieb ein Paar aus zwei miteinander verschränkten Photonen. „Diese Messungen zeigen die Vielseitigkeit des Gattermechanismus, der es sogar ermöglicht, eine Wechselwirkung zwischen zwei Lichtquanten zu vermitteln“, sagt Norbert Kalb. „Im Prinzip können wir damit auch Zustände erzeugen, in denen das Atom mit einer Vielzahl von Photonen verschränkt ist.“
Die Entwicklung des hybriden Quantenlogikgatters könnte ein großer Schritt in Richtung eines universellen Quantencomputers sein. „Die Kommunikation von Quanteninformation mit Photonen und die Datenverarbeitung mit stationären Systemen wie Atomen oder Ionen wurden bislang zumeist als eigene Spezialgebiete betrachtet“, führt Prof. Gerhard Rempe aus. „In unserer Arbeit führen wir beide Techniken zusammen. Unser Quantengatter lässt sich leicht in einem System implementieren, in dem einzelne Atome als stationäre Speicher dienen, zwischen denen einzelne Photonen die Quanteninformation auch über weite Strecken übertragen können. Damit hoffen wir, zur Realisierung eines skalierbaren Quantencomputers beitragen zu können.“ Olivia Meyer-Streng