Erbium-Atome in Silizium: Exzellente Eigenschaften für Quantennetzwerke
Ein Forscherteam am Max-Planck-Institut für Quantenoptik hat die Basis für die Entwicklung künftiger Quantennetzwerke gelegt. Dazu betteten sie einzelne Erbium-Atome in kristallines Silizium ein und schufen in diesem System ideale Bedingungen, um Quanteninformationen zu speichern und weiterzugeben.
Einem Team von Forschenden am MPQ ist es erstmals gelungen, Erbium-Atome mit besonderen optischen Eigenschaften in einen Silizium-Kristall zu integrieren. Die so präparierten Atome können durch Licht mit einer in der Telekommunikation gebräuchlichen Wellenlänge miteinander verbunden werden können. Dies macht sie zu idealen Bausteinen für künftige Quanten-Netzwerke, die Berechnungen mit mehreren Quantencomputern ermöglichen sowie den absolut abhörsicheren Austausch von Daten in einem Quanten-Internet. Da die neuen experimentellen Ergebnisse bei einer einfach realisierbaren Kühlung erzielt wurden und auf etablierten Methoden der Halbleiterherstellung aufbauen erscheint das Verfahren auch für große Netzwerke geeignet.
Wenn Quantencomputer zu einem Netzwerk verbunden werden, entstehen völlig neue Möglichkeiten – analog zum Internet, das aus vernetzten klassischen Computern besteht. Realisieren lässt sich solch ein Quanten-Netzwerk, indem einzelne Träger von Quanteninformation, sogenannte Qubits, durch Licht miteinander verbunden werden. Die Qubits wiederum baut man mithilfe einzelner Atome, die voneinander isoliert in einem festen Wirtsmaterial eingebettet sind. Ein Team von Forschenden am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching und an der TU München hat nun erstmals einen praktikablen Weg aufgezeigt, um ein Quanten-Netzwerk aus Atomen in einem Silizium-Kristall aufzubauen. So kann die gleiche Technologie, die bei klassischen Computern verwendet wird, für Quantencomputer und deren Netzwerke zum Einsatz kommen.
Geringe Verluste und starke Kohärenz
Die Grundlage für die neue Technik bilden Erbium-Atome, die unter besonderen Bedingungen in das Kristallgitter des Siliziums implantiert wurden. „Aus früheren Experimenten wussten wir, dass Erbium für eine solche Anwendung gute optische Eigenschaften besitzt“, sagt Dr. Andreas Reiserer, Leiter der Otto-Hahn-Forschungsgruppe Quanten-Netzwerke am MPQ: Die Atome dieses chemischen Elements aus der Gruppe der Seltenen Erden emittieren infrarotes Licht mit einer Wellenlänge von rund 1550 Nanometer – und damit im selben spektralen Bereich, der auch für den Datentransport in Glasfaserkabeln genutzt wird. Er zeichnet sich durch nur geringe Verluste bei der Ausbreitung in einem lichtleitenden Medium aus. „Zudem besitzt das von Erbium emittierte Licht ein hohes Maß an Kohärenz“, stellt Reiserer fest. Das heißt, einzelne Wellenzüge stehen in einer festen Phasenbeziehung zueinander – die Voraussetzung, um Quanteninformationen speichern und übertragen zu können. „Diese Merkmale machen Erbium zu einem erstklassigen Kandidaten für die Realisierung eines Quantencomputers – oder die Verwendung als Informationsträger in einem Quanten-Netzwerk“, betont Reiserer.
Doch was einfach klingt, stellte die MPQ-Forschenden vor eine knifflige technologische Herausforderung. Sie bestand unter anderem darin, einzelne Atome des Seltenerd-Elements gezielt und reproduzierbar in der kristallinen Matrix einzubetten – und in bestimmten Positionen zu den Silizium-Atomen zu fixieren. „Silizium wählten wir dafür, weil es bereits für klassische Halbleiter verwendet wird, die die Grundlage unserer Informationsgesellschaft bilden“, erläutert der Garchinger Physiker. „Für seine Präparation stehen etablierte Verfahren zur Verfügung, die Silizium-Kristalle in hoher Qualität und Reinheit bereitstellen können.“
Moderate Temperaturen, schmale Spektrallinien
Um einen solchen Kristall mit Erbium-Atomen spicken – im Fachjargon: zu dotieren –, musste er zunächst mit nanometerfeinen Strukturen versehen werden. Sie dienten als Leiterbahnen für das Licht. Danach beschossen die Forschenden das Silizium mit einem Strahl aus Erbium-Ionen, sodass einzelne Atome eindrangen und sich darin bei hohen Temperaturen auf verschiedene Plätze verteilten. „Im Gegensatz zum üblichen Vorgehen heizten wir die Chips nicht auf 1000, sondern nur auf maximal 500 Grad Celsius“, sagt Andreas Gritsch, Doktorand im Team von Andreas Reiserer. Die Folge der vergleichsweisen moderaten Temperatur war eine besonders stabile Integration einzelner Erbium-Atome im Kristallgitter, ohne dass sich dabei eine größere Zahl von Atomen zu Clustern zusammenballten. „Das manifestierte sich in ungewöhnlich schmalen Spektrallinien bei der Emission von infrarotem Licht durch das Erbium“, berichtet Gritsch: mit rund 10 Kilohertz die geringste spektrale Linienbreite, die bislang in Nanostrukturen gemessen wurde. „Auch das ist eine vorteilhafte Eigenschaft für den Aufbau eines Quanten-Netzwerks“, betont der Forscher.
Und noch eine Besonderheit kennzeichnet das durch die Garchinger Forscher optimierte Verfahren zum Dotieren des Silizium-Kristalls: Die exzellenten optischen Eigenschaften der eingebrachten Erbium-Atome zeigen sich nicht nur – wie bei vorangegangenen Experimenten – in unmittelbarer Nähe des absoluten Nullpunkts bei minus 273 Grad Celsius. Stattdessen lassen sie sich auch noch bei – für Quantenphänomene recht „hohen“ Temperaturen – von rund 8 Kelvin (Grad über dem absoluten Mullpunkt) beobachten. „Eine solche Temperatur lässt sich durch Kühlen in einem Kryostaten mit flüssigem Helium erreichen“, sagt Andreas Reiserer. „Das ist technologisch leicht machbar und ebnet den Weg hin zu künftigen Anwendungen.“
Vielfältige Anwendungspotenziale
Die Palette an möglichen Anwendungen von Quanten-Netzwerken ist breit gefächert, wie der Max-Planck-Forscher erklärt: So ließen sich daraus künftig vielleicht Quantencomputer bauen, bei denen eine große Zahl von separaten Prozessoren miteinander verbunden sind. Mit solchen Rechenmaschinen, die bestimmte quantenmechanische Effekte nutzen, lassen sich komplexe Aufgaben bewältigen, die mit herkömmlichen, klassischen Systemen nicht oder nur mit immensem Aufwand lösbar sind. Alternativ könnten Quanten-Netzwerke dazu dienen, die Eigenschaften von neuartigen Materialien zu untersuchen. „Oder es ließe sich daraus eine Art Quanten-Internet aufbauen, in dem bisher unerreichte Mengen an Information – ähnlich wie im normalen Internet, aber per Quantenkryptografie absolut sicher verschlüsselt – übertragen werden“, sagt Reiserer.
Die Voraussetzung für all diese potenziellen Anwendungen ist, viele Qubits in einem Netzwerk quantenmechanisch miteinander zu verschränken. „Zu zeigen, dass auch das auf der Basis von Erbium-Atomen in Siliziumchips möglich ist, betrachten wir als unsere nächste Aufgabe“, sagt Andreas Reiserer. Gemeinsam mit seinem Team arbeitet der Physiker bereits daran, auch diese Herausforderung zu meistern. Sein Ziel: Künftig sollen sich die Schaltkreise für leistungsfähige Quanten-Netzwerke auf ähnliche Weise herstellen lassen wie Mikrochips für Mobiltelefone oder Notebook-Computer – aber ein weites Feld bereiten für neue wissenschaftliche Erkenntnisse und heute noch undenkbare technische Möglichkeiten.