Nachts sind nicht alle Katzen grau!

19. Oktober 2020

Unsere Augen reagieren nur auf drei Spektralfarben (rot, grün und blau) und wenn es sehr dunkel wird, können sie Farben gar nicht mehr unterscheiden. Spektroskopiker hingegen können durch die Frequenzen verschiedener Lichtwellen noch viele Farben mehr identifizieren und dadurch Atome und Moleküle anhand ihrer spektralen Fingerabdrücken erkennen und voneinander unterscheiden. In einem Proof-of-Principle-Experiment haben Nathalie Picqué, langjährige Forschungsgruppenleiterin, und Theodor Hänsch, Direktor der Gruppe Laserspektroskopie am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ), in fast vollständiger Dunkelheit ein sehr breites Spektrum aufgezeichnet, das aus nahezu hunderttausend verschiedenen Farben besteht. Das Experiment verwendete zwei modengekoppelte Femtosekundenlaser und einen einzelnen Photonendetektor. Die Ergebnisse wurde soeben in dem Fachjournal Proceedings of the National Academy of Science of the United States of America (PNAS) publiziert.

Ein modengekoppekter Femtosekundenlaser emittiert Hunderttausende scharfer Spektrallinien, die alle präzise genau denselben Abstand zueinander haben. Solche Frequenzkämme sind heutzutage vielerorts im Einsatz, um die Schwingungen von Laserlichtwellen zu zählen. Außerdem dienen sie als Uhrwerke in optischen Atomuhren. Für die Entwicklung der Frequenzkammtechnik wurden Theodor Hänsch und John L. Hall im Jahr 2005 mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet.

Während der letzten fünfzehn Jahre hat Nathalie Picqué am MPQ den Frequenzkamm eingesetzt, um neue Ansätze für die optische Breitbandspektroskopie zu erarbeiten [1]. In ihrer Technik, der Doppelkammspektroskopie, sondieren alle Frequenzkammlinien des einen Lasers das Spektrum der Probe, während die Frequenzkammlinien des anderen Lasers mit geringfügig anderem Abstand gleichzeitig mittels Interferenz Radiofrequenz-Schwebungssignale am Detektor erzeugen. Am Computer digitalisiert, können die Stärken der Frequenzkammlinien aus diesen Signalen einzeln ausgelesen werden.

Diese spektroskopische Technik bietet einige einzigartige Vorteile: die mögliche Auflösung ist praktisch unbegrenzt, die Spektren können mit einer Atomuhr sehr genau kalibrieret werden und das gleichzeitige Auslesen bei vielen Lichtfrequenzen vermeidet tückische Messfehler. Überdies kommt eine solche Doppelkammspektroskopie ganz ohne mechanisch bewegte Teile aus, und es ist denkbar, ein komplettes Spektrometer auf einem Mikrochip zu integrieren.

Nathalie Picqué und Theodor Hänsch konnten mit ihrem im Prinzip verblüffend einfachen Experiment zeigen, dass die Doppelkammspektroskopie selbst bei extrem kleinen Lichtintensitäten funktionieren kann (Fig. 1). Dazu kommt ein photonenzählender Detektor zum Einsatz. Die Statistik der scheinbar sporadischen Klicks liefert die Information über die Schwebungssignale, auch dann noch, wenn der Detektor im Mittel nur ein Photon während der Zeit von 2000 Laserpulsen registriert. Unter solchen Umständen ist es extrem unwahrscheinlich, dass man zwei Photonen von je einem der Laser gleichzeitig im Beobachtungspfad findet. Man kann das Experiment nicht anschaulich erklären, wenn man annimmt, dass ein Photon bereits vor dem Nachweis existiert.

Die Fähigkeit, bei Lichtintensitäten zu arbeiten, die milliardenfach niedriger sind als in bisherigen Experimenten üblich, eröffnet neue faszinierende Ausblicke für die Doppelkammspektroskopie. Nathalie Picqué erklärt dazu: „Die Methode kann nun auch auf spektrale Bereiche erweitert werden, für die allenfalls schwache Frequenzkammquellen zur Verfügung stehen, wie zum Beispiel im Bereich extrem ultravioletter Strahlung oder gar weicher Röntgenstrahlung. Mann kann Spektren durch stark absorbierende Materialien erfassen oder durch Rückstreuung über große Distanzen. Auch können wir nun Doppelkammspektroskopie auf nanoskopische Proben bis hinab zu einzelnen Atomen und Molekülen anwenden, selbst wenn diese nur schwache Fluoreszenzsignale liefern.“

“Ich war absolut begeistert. Selbst nach fünfzig Jahren Forschungsarbeit im Bereich der Laserspektroskopie, schien es mir faszinierend, dass einzelne detektierte Photonen die beiden Laser mit ihren vielen Frequenzlinien und das komplexe Spektrum der Probe „wahrnehmen“ können“, erinnert sich Theodor Hänsch an den Moment, in dem zum ersten Mal ein Interferenzmuster in der Statistik der Detektorenklicks erschien.

[1] N. Picqué, T.W. Hänsch, Frequency comb spectroscopy, Nature Photonics 13, 146–157 (2020). Full text access without subscription at https://rdcu.be/bnRDN

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