Münchner Lichtquanten-Destillerie
Garchinger Physiker entwickeln eine Technik, um reine einzelne Photonen zu extrahieren
Das Destillieren von Spirituosen steigert den Gehalt von Alkohol relativ zum Wasseranteil. Ähnlich wirkt eine Methode auf Lichtquanten, Photonen, die ein Team vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching entwickelt hat. Sie extrahiert aus einer Lichtquelle einzelne Photonen, drängt den unerwünschten Vakuumanteil zurück und „meldet“ dieses Ereignis. Solche Einzelphotonen sind als Quantenbits wichtig für die derzeit entstehende Quanteninformationstechnik. Diese „Photonen-Destille“ lässt sich sogar modular hintereinanderschalten, um die Reinheit von Ein-Photonen-Licht zu steigern. Die Arbeit ist gerade in „Physical Review Letters“ erschienen.
Es erinnert in der Tat an das Prinzip, das hinter dem Destillieren von Alkohol steckt – auch wenn die Apparatur in einem der Labors am Max-Planck-Institut für Quantenoptik völlig anders als die Gerätschaften beim Schnapsbrennen aussieht (Abbildung). So, wie das Brennen den Alkoholgehalt eines Getränks gegenüber dem Wassergehalt steigert, erhöht das Garchinger Experiment den Anteil von einzelnen Photonen im Verhältnis zum Vakuum. Diese Motivation klingt für Laien seltsam, führt aber direkt in die merkwürdige Welt der Quantenphysik hinein. Ultimativ schwache Lichtquellen, die exakt ein Photon liefern können, spielen nämlich in der Quanteninformationstechnik eine zentrale Rolle. Ein Photon kann als Quantenbit die elementare Quanteninformation transportieren, die für Quantennetzwerke, Quantenverschlüsselung und Quantencomputer benötigt wird – so wie die heutige Digitaltechnik einzelne Bits als Informationsträger verarbeitet.
Der Bau von Einzelphotonenquellen ist allerdings eine Herausforderung, an der weltweit seit vielen Jahren geforscht wird. Das klingt verwunderlich, wo doch ein Griff zum Lichtschalter genügt, um einen Raum zu beleuchten. Allerdings entspricht dieses Licht aus einer Lampe einem Strom enorm vieler Photonen. Dimmt man nun eine Lichtquelle so extrem ab, dass nur noch einzelne Photonen aus ihr entschlüpfen können, wird man mit der Würfelnatur der Quantenwelt konfrontiert: mal kommt nichts, dann kommen zwei oder drei Photonen usw. Es ist ein bisschen wie das Auströpfeln einer Destille, wo man auch nicht sicher vorhersagen kann, wann der Tropfen kommt – und wie groß er sein wird.
Die Physiker aus Gerhard Rempes Abteilung am Max-Planck-Institut für Quantenoptik hatten nun die Idee, nicht etwa eine weitere Ein-Photonen-Lichtquelle zu entwickeln. Stattdessen kann ihr Experiment aus dem Licht einer beliebigen, sehr schwachen Lichtquelle – wie eine Destille – einzelne Photonen extrahieren und dieses Ereignis zuverlässig melden. Genau genommen reduziert es den Anteil des reinen Vakuums im Vergleich zum Ereignis, ein Photon zu erhalten. Das lernt man bei Severin Daiß, Doktorand am Institut und Erstautor der Publikation. Zu den Eigenheiten der Quantenwelt gehört, dass das Vakuum selbst einen Quantenzustand darstellt. Will man sauber ein Photon präparieren, darf kein Vakuum beigemischt sein.
In der neuen Forschungsarbeit von Rempes Team kommen zwei Herausforderungen zusammen. Die erste Herausforderung besteht darin, exakt ein Photon zu gewinnen, die zweite, es zuverlässig nachzuweisen. Beide Aufgaben löst ein einzelnes Rubidiumatom in einem Schritt. Dieses Atom befindet sich in einer Art Spiegelkabinett. Genauer gesagt ist es zwischen zwei fast perfekten Spiegeln, die einander gegenüberstehen, gefangen. Der Abstand der Spiegel in diesem sogenannten Resonator entspricht präzise dem Mehrfachen einer halben Lichtwellenlänge, in der das Atom ein eigenes Photon abstrahlen oder aufnehmen könnte. In diesem System kann das Atom wie ein Zeiger zwischen zwei Anzeigepositionen hin und her umklappen, was hier eine wichtige Rolle spielt.
„Dieses System des Atoms im Resonator können wir als Destille für das Photon verwenden“, sagt Daiß. Die Garchinger richten extrem schwaches Laserlicht, aus dem sie ein Photon gewinnen wollen, auf die Kavität. Dort vollführt es etwas, das nur in der Quantenwelt funktioniert: Es „verschränkt“ sich mit der Atom-Resonator-Anordnung, bildet also damit einen gemeinsamen Quantenzustand. Dieser verschränkte Zustand macht das System zur Destille: Mit einer Messung an dem Atom können die Physiker eine gerade oder eine ungerade Anzahl an Photonen aus dem eingestrahlten Licht extrahieren.
Allerdings funktioniert das nicht wie ein Schalter, denn die Würfelnatur der Quantenwelt verhindert, dass auf Knopfdruck ein Photon durchkommt. „Entscheidend ist hier, dass wir das Atom nun als Zeiger benutzen können, der uns eine erfolgreiche Ein-Photon-Destillation meldet“, erklärt Daiß. Die Physiker lassen die Anordnung also Photonen „erwürfeln“, bekommen die Würfelzahl aber zuverlässig angezeigt.
In Verbindung mit ultraschwachem Licht kann der Modus „ungerade Photonenzahl“ nun Ereignisse mit einem Photon produzieren, weil mehr Photonen selten zur Verfügung stehen. Diese Destillation gelang bereits mit einer „Reinheit“ von 66 % Prozent, das heißt, dass der Vakuumanteil auf ein Drittel zurückgedrängt war. Im Vergleich mit Einzelphotonen-Lichtquellen ist das auf Anhieb ein ordentliches Ergebnis. Diese Reinheit lässt sich mit besseren optischen Kavitäten in Zukunft noch erheblich steigern. Interessant ist auch, dass sich die photonendestillierenden Elemente hintereinanderschalten lassen, um so die Reinheit des durchgeschleusten Photons noch zu erhöhen. Auch die Qualität des Lichts anderer Einzelphotonenquellen lässt sich damit verbessern. Das ist dann so, als würde man aus einem vierzigprozentigen Wodka einen sechzig- oder höherprozentigen Wodka herstellen.
(RW)