Ein Raum-Zeit-Fühler für das Licht-Materie-Wechselspiel
Physiker des Labors für Attosekundenphysik der Ludwig-Maximilians-Universität und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik haben ein Attosekunden-schnelles Elektronen-„Mikroskop“ entwickelt. Mit seiner Hilfe lassen sich die Ausbreitung von Licht durch Raum und Zeit sowie die dadurch ausgelösten Bewegungen von Elektronen in Atomen sichtbar machen.
Das elementarste Wechselspiel in der Natur ist das zwischen Licht und Materie. Diese Interaktion geschieht rasend schnell, innerhalb von Attosekunden (Milliardstel einer milliardstel Sekunde). Was genau in diesen kurzen Zeiträumen passiert, blieb bisher meist im Verborgenen. Jetzt hat ein Team um Dr. Peter Baum und Dr. Yuya Morimoto vom Labor für Attosekundenphysik (LAP) der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) eine neue Mikroskop-Technik entwickelt, mit deren Hilfe die Interaktion zwischen Licht und Materie in Echtzeit beobachtet werden kann.
Um Attosekunden-schnelle Phänomene wie die Zyklen von Licht im Wechselspiel mit Atomen in der Natur sichtbar zu machen, benötigt man eine Technik, die ebenso schnell agiert wie die Prozesse selber und gleichzeitig atomare Auflösung erreicht. Um das zu erreichen, bedienen sich Baum und Morimoto dazu Elektronen, die als Elementarteilchen auch Welleneigenschaften haben. Die Forscher lassen die Elektronen auf eine dielektrische Folie auftreffen. Dort werden sie über einen senkrecht dazu einfallenden Laserstrahl so moduliert, dass nach dem Durchgang durch die Folie eine Serie von Attosekunden-Impulsen entsteht. Das sind Pakete aus etwa 100 Einzelimpulsen, die jeweils rund 800 Attosekunden lang dauern.
Im Gegensatz zu optischen Attosekunden-Lichtblitzen haben die Elektronen-Pulszüge einen großen Vorteil für Anwendungen in der Mikroskopie: Sie haben eine viel kürzere Wellenlänge als konventionelle Lichtpulse. Damit werden auch Teilchen im Mikrokosmos sichtbar, die kleiner als Nanometer sind, zum Beispiel Atome. Zudem sind die Elektronenblitze zeitlich gesehen viel kürzer als die Schwingung von Licht. Dies erlaubt es, ultraschnell ablaufende Prozesse in der Natur sichtbar zu machen.
Mit der neu entwickelten Technik ist es nun möglich, neue Einblicke in den Mikrokosmos zu erhalten. In einem ersten Experiment haben die Forscher ihre Attosekunden-Pulszüge auf einen Kristall aus Silikon treffen lassen. Dabei konnten sie beobachten, wie Licht an dem Kristall gebrochen, abgelenkt und sich weiter in Raum und Zeit ausgebreitet hat. Ebenso konnten die Forscher beobachten, wieviel Zeit vergeht, bis die Elektronen am Kristallgitter streuen. Man kann also direkt messen, wie die Elektronen in der Kristallprobe auf das Licht reagieren. Damit erreichen die LAP-Physiker subatomare Auflösung, sie können also in Zukunft die Geschehnisse in einem Atom in Echtzeit beobachten.
Mit ihrer Attosekunden-Elektronenmikroskopie haben die LAP-Physiker eine Grundlage geschaffen, selbst kleinste und schnellste elektromagnetische Felder des Lichts und ihre Wechselwirkung mit der Umgebung zu erkunden. Verbessern wollen die LAP-Physiker die Technologie nun, indem sie einzelne Attosekunden-Elektronenblitze produzieren, um noch präziser das Geschehen im Mikrokosmos zu verfolgen. Die neue Technik könnte nun zum Beispiel für die Entwicklung von Metamaterialien dienen. Metamaterialien sind künstliche Nanostrukturen, deren Durchlässigkeit für elektrische und magnetische Felder von der in der Natur üblichen abweicht, so dass optische Phänomene entstehen, die sich mit herkömmlichen Stoffen nicht realisieren lassen. Metamaterialien eröffnen neuartige Perspektiven in der Optik und Optoelektronik, und könnten zu Bausteinen für lichtgetriebene Schaltkreise und Rechner der Zukunft werden. Thorsten Naeser