Ein Tiefpassfilter für Photonen
Garchinger Physiker beobachten neuartigen Quanteneffekt, der die Zahl der emittierten Photonen limitiert.
Die Wahrscheinlichkeit, in einem Laserpuls eine bestimmte Anzahl an Photonen zu finden, entspricht einer klassischen Verteilung für unabhängige Ereignisse (Poisson-Verteilung). Aber es gibt auch Lichtquellen mit nicht-klassischen Verteilungen, die nur mit Hilfe der Quantenmechanik beschrieben werden können. Prominentestes Beispiel hierfür ist die Einzelphotonenquelle, die z.B. in der Quantenkryptographie für den abhörsicheren Austausch von Schlüsseln oder für die Vernetzung von Quantenspeichern und -prozessoren genutzt werden kann. Für viele neuartige Anwendungen in der nichtlinearen Quantenoptik wäre es jedoch wünschenswert, Lichtpulse mit einer festen Zahl an Photonen, z.B. zwei, drei oder vier Photonen, zu erzeugen. Einem Team von Wissenschaftlern aus der Abteilung Quantendynamik von Prof. Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching ist jetzt der erste Schritt in diese Richtung gelungen. Die Physiker konnten in einem stark gekoppelten Atom-Resonator-System erstmals eine sogenannte Zwei-Photonen-Blockade beobachten: das System emittiert höchstens zwei Photonen gleichzeitig, da es nur zwei Photonen auf einmal speichern kann (PRL, 31. März 2017).
Naiv betrachtet könnte man meinen, für die Erzeugung von Einzelphotonen reiche es aus, einen Laserpuls nur genügend stark abzuschwächen. In diesem Fall schwankt die Photonenzahl jedoch in jedem einzelnen Puls und nur die Mittelung über viele Pulse ergibt eine durchschnittliche Photonenzahl von eins. Anwendungen benötigen jedoch genau ein Photon pro Puls. Deutlich reduzieren lassen sich die Schwankungen, wenn man ein einzelnes Atom als Einzelphotonenquelle nutzt. Wird es von einem Laserpuls getroffen, kann es nur ein Photon absorbieren und geht dabei vom Grundzustand in den angeregten Zustand über. Ein zweites Photon kann erst absorbiert werden, wenn das Atom vom angeregten Zustand wieder in den Grundzustand gefallen ist und dabei ein Photon ausgesendet hat. Im emittierten Lichtfeld werden also niemals gleichzeitig zwei oder mehrere Photonen detektiert. Man spricht hierbei auch vom Effekt der „Einzel-Photonen-Blockade“
Möchte man das Prinzip der Einzel-Photonen-Blockade auf zwei Photonen übertragen, reicht ein einzelnes Atom nicht mehr aus. Stattdessen braucht man ein System, das zwei Photonen, aber nicht mehr, gleichzeitig speichern kann. Hierzu kombinieren die Garchinger Physiker das einzelne Atom mit einem Resonator, welcher dem Atom zusätzliche Speicherkapazitäten für Photonen bereitstellt. Ein Resonator kann beliebig viele Photonen aufnehmen und besitzt entsprechend unendlich viele Energiezustände, die – ähnlich wie bei einer Leiter – immer exakt den gleichen Abstand voneinander haben. Durch Einbringen eines Atoms in den Resonator wird ein nichtlineares Element eingeführt. Dadurch spalten die Energiezustände der „Resonator-Leiter“ auf, und zwar für jede Leiterstufe unterschiedlich stark. Die Stufen der Leiter haben nun nicht mehr den gleichen Abstand voneinander. Laserlicht einer bestimmten Frequenz kann das System daher nur bis zu der entsprechenden Energiestufe, auf die es abgestimmt ist, anregen. Die Anzahl der im System speicherbaren Photonen ist also begrenzt und höchstens entsprechend viele Photonen können gleichzeitig emittiert werden.
In ihrem Experiment fangen die Physiker mit Hilfe einer optischen Falle ein einzelnes Rubidiumatom in einem aus zwei Spiegeln höchster Güte gebildeten Resonator ein. Die Laserfrequenz wird auf eine Energiestufe abgestimmt, deren Anregung die Absorption von zwei Photonen erfordert. Während der fünf Sekunden, die das Atom im Resonator gespeichert ist, werden ca. 5000 Messungen durchgeführt. Dabei wird das Atom-Resonator-System jeweils mit Licht bestrahlt und das emittierte Signal mit Einzelphotonendetektoren aufgezeichnet. „Interessanterweise hängt die Schwankung in der Zahl der emittierten Photonen stark davon ab, ob wir den Resonator oder das Atom angeregen“, betont Dr. Tatjana Wilk, die Projektleiterin. „Nur im Fall der atomaren Anregung erzielen wir den Effekt, dass die Abstrahlung von Lichtpulsen mit mehr als zwei Photonen unterdrückt ist. Dieser Quanteneffekt tritt dagegen nicht auf, wenn wir den Resonator anregen. Dann registrieren wir z.B. auch verstärkt Lichtpulse mit drei oder mehr Photonen.“
Die zugrundeliegenden Prozesse erläutert Christoph Hamsen, Doktorand am Experiment: „Wenn das Atom angeregt wird, dann haben wir es mit konkurrierenden Mechanismen zu tun. Einerseits kann das Atom nur eine Anregung auf einmal aufnehmen. Andererseits ist das stark gekoppelte Atom-Resonator-System für die Absorption von zwei Photonen resonant. Dieses Wechselspiel führt zu einer Folge von Lichtpulsen mit einer nicht-klassischen Photonen-Verteilung.“ Und Nicolas Tolazzi, ebenfalls Doktorand am Experiment, ergänzt: „Beobachten konnten wir dieses Verhalten in Korrelationen zwischen detektierten Photonen, wobei drei gleichzeitige Photonen seltener auftraten als klassisch erwartet.“
Prof. Gerhard Rempe gibt einen Ausblick auf mögliche Erweiterungen dieses Experiments: „Noch sendet unser System auch Lichtpulse mit einem oder null Photonen aus, es arbeitet also wie eine Art ‚Tiefpassfilter‘. Für viele Anwendungen bei der Übertragung und Verarbeitung von Quanteninformation benötigt man aber z.B. genau zwei, drei oder vier Photonen. Unser Ziel ist es, in Zukunft solche reinen Zustände zu generieren. Die in diesem Experiment erreichte Zwei-Photonen-Blockade ist ein erster Schritt in diese Richtung." Olivia Meyer-Streng