4D-Filmproduktion mit ultrakurzen Elektronenblitzen
Physiker der Ludwig-Maximilians-Universität und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik verkürzen Elektronenblitze auf unter 30 Femtosekunden. Damit gewinnen sie detaillierte Einblicke in die Bewegungen von Atomen in Molekülen.
Wer den Mikrokosmos und seine Dynamik erforschen will, benötigt eine Hochgeschwindigkeitskamera für Atome. Um die Bewegungen dieser Teilchen während einer Reaktion scharf abzubilden, benötigt man „Verschlusszeiten“ im Bereich von Femtosekunden. Denn genauso schnell verläuft das Geschehen in chemischen Reaktionen und Festkörpern ab. Femtosekunden-lange Verschlusszeiten stellt die Kurzpulslasertechnik zur Verfügung, aber Laserlicht kann die Atome nicht räumlich auflösen. Jetzt ist es Physikern vom Labor für Attosekundenphysik an der LMU und dem MPQ gelungen, Elektronenblitze mit einer Dauer von nur noch 28 Femtosekunden zu erzeugen. Das ist sechsmal kürzer, als es bisher möglich war. Die Länge der Materiewellen ist nur rund acht Pikometer; ein Pikometer ist ein billionstel Meter (10-12 m). Aufgrund dieser kurzen Wellenlänge lassen sich bei Beugungsexperimenten selbst einzelne Atome erkennen. Treffen Elektronen auf ein Molekül oder Atom, werden sie aufgrund ihrer kurzen Wellenlänge unterschiedlich stark abgelenkt und erzeugen so am Detektor ein Interferenzmuster, aus dem man die atomare 3D-Struktur der Probe rekonstruiert. Sind die Impulse kurz genug, entsteht ein scharfer Schnappschuss der Bewegung.
Um die neue Technik zu testen, haben die Physiker die Elektronenblitze in einem Beugungsexperiment an einem Biomolekül verwendet. Künftig sollen diese Elektronenblitze in Anrege-Abfrage-Experimenten eingesetzt werden. Dabei wird ein optischer Laserpuls auf ein Molekül geschickt, wodurch es zu einer Reaktion angeregt wird. Kurz darauf trifft der Elektronenblitz auf die Probe und erzeugt ein Beugungsbild von der momentanen Struktur. Extrem viele solcher Schnappschüsse bei unterschiedlichen Verzögerungszeiten zwischen Laser- und Elektronenblitzen ergeben dann einen Film von der atomaren Dynamik. Mit der Elektronenblitz-Technologie erhält man daher nicht nur ein räumliches Bild der atomaren Struktur, sondern zusätzlich einen Einblick in ihre Dynamik. Insgesamt gewinnt man so einen vierdimensionalen Eindruck von Molekülen und deren Atombewegungen während einer Reaktion.
„Mit unseren Elektronenblitzen sind wir nun in der Lage, sehr viel detailreichere Einblicke in die Vorgänge in Festkörpern und Molekülen zu gewinnen als bisher“, erklärt Dr. Peter Baum, der Leiter des Experiments. „Wir können nun die schnellsten bekannten atomaren Bewegungen in vier Dimensionen, nämlich in Raum und Zeit, aufzeichnen“, sagt er. Nun wollen die Physiker die Dauer der Elektronenblitze noch weiter verkürzen, denn je kürzer die Verschlusszeiten werden, desto schnellere Bewegungen wird man aufzeichnen. Ziel der Forscher ist es, die noch schnelleren Bewegungen von Elektronen in angeregten Atomen mit ihren Elektronenblitzen eventuell beobachten zu können. Thorsten Naeser