Mit geballtem Licht auf Diamantatome

Ein internationales Physikerteam hat mit Hilfe von Nanoröhrchen Laserpulse so modifiziert, dass ihre Kraft gezielter auf Kohlenstofffolien wirkt. Damit verbessern die Forscher die für den medizinischen Einsatz aussichtsreiche, lichtgetriebene Ionenstrahlung.

10. August 2015

Licht-Materie-Wechselwirkung an Kohlenstofffolien könnte der Schlüssel zu einer neuen Ära in der Ionenbeschleunigung für medizinische Anwendungen sein. Ein internationales Team unter der Führung von Physikern des Exzellenzclusters Munich-Centre for Advanced Photonics (MAP) an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und am Max-Planck-Institut für Quantenoptik hat nun die aussichtsreiche Technik der Lichtdruck-Beschleunigung weiter verbessert. Mit ihr gewinnt man aus extrem starken Laserblitzen Ionenpulse. Die Forscher haben erstmals die hauchdünnen Folien aus diamantartigem Kohlenstoff mit Nanoröhrchen bedampft. Sie fungieren bei Bestrahlung mit starken Laserpulsen als Linse und fokussieren den Laser stärker als bisher auf die Kohlenstofffolie. Die Folge davon ist, dass Ionen weitaus höhere Energien aufnehmen als bisher. Damit werden erste Strahlenexperimente mit Kohlenstoff-Ionen an Zellen möglich und ein medizinischer Einsatz der lichtgetriebenen Ionenstrahlung greifbar.

Licht verfügt über enorme Kräfte. Treffen etwa hochintensive Laserpulse auf hauchdünne, diamantartige Folien aus Kohlenstoff, lösen sie Ionen heraus und beschleunigen diese auf rund zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Es entsteht Ionenstrahlung, getrieben durch den Strahlungsdruck der ultrakurzen Laserpulse. Ionenstrahlung kann zur Behandlung von Tumoren in der Krebstherapie eingesetzt werden, wenn sie über genug Energie verfügt. Aktuell wird diese hochenergetische Strahlung von großen, kostenintensiven Beschleunigern erzeugt. Die Lasertechnologie ist noch nicht in der Lage, eine ebenbürtige Strahlung zu erzeugen. Aber sie hat das Potential, die notwendige Technologie für den medizinischen Einsatz der Ionenstrahlung künftig kostengünstiger und platzsparender zur Verfügung zu stellen.

Um dies zu erreichen haben die Laserphysiker zwei Optionen: zum einen müssen sie die Intensität der Laserpulse erhöhen. Und zum anderen müssen sie ihre Intensität so kompakt zusammenballen, dass der Puls extrem fokussiert und mit voller Wucht auf die Kohlenstofffolien auftrifft. Letzteres haben nun die MAP-Physiker getan. Die auf die Kohlenstofffolien auftreffenden Laserpulse dauern nämlich rund 50 Femtosekunden (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde) und bestehen aus rund 20 Lichtwellenschwingungen. Das heißt: die in dem Puls gespeicherten elektromagnetischen Kräfte kommen nicht geballt zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Kohlenstofffolie an, sondern der Lichtdruck auf die Ionen wird verhältnismäßig langsam gesteigert bis er ein Maximum erreicht. Erst dann schlägt er die Ionen aus der Folie heraus. Über den gesamten Prozess geht viel Energie verloren.

Im MAP-Service-Centre wurden nun die diamantartigen Kohlenstofffolien, die Grundlage für die ersten Studien zur Strahlungsdruckbeschleunigung vor fünf Jahren waren, mit einer Mikrometer dünnen Schicht aus Nanoröhrchen bedampft. Diese Röhrchen liegen ungeordnet auf der Folie, wie etwa Stroh in einem Heuhaufen. Die Röhrchen haben zur Folge, dass die Leistung des auftreffenden Laserpulses beim Durchgang so gebündelt wird, dass ihre Kraft augenblicklich auf die dahinter liegende Kohlenstofffolie wirkt und sich nicht erst langsam aufbaut. Zudem fokussieren die Nanoröhrchen die Lichtpulse stark auf einen „Brennpunkt“ auf der Folie. Beide Effekte haben zur Folge, dass die aus der Kohlenstofffolie herausgelösten Ionen über eine deutlich höhere Energie verfügen als bisher (rund 200 Megaelektronenvolt, MeV). Die Experimente wurden im Rahmen des Laserlab-Europe-Programms am ASTRA-Gemini  Laser des Rutherford Appleton Laboratory’s durchgeführt. In der Kollaboration arbeiteten Forscher aus Deutschland, Großbritannien, Spanien und China.

Mit der verbesserten, lichtgetriebenen Ionenstrahlung werden nun erstmals Experimente mit Kohlenstoff-Ionen an Zellen möglich. Um lichtgetriebene Ionenstrahlung zur Bekämpfung von Tumoren im menschlichen Körper einzusetzen, werden jedoch Energien von mindestens  einem GeV (Gigaelektronenvolt) benötigt, also rund fünfmal so viel wie aktuell möglich ist. Denn die Strahlung muss erst gesundes Gewebe durchdringen bis sie einen Tumor erreicht. Dieses Ziel ist nicht utopisch: Auf den Grundlagen des Forschungsverbunds des Munich-Centres for Advanced Photonics entsteht auf dem Forschungscampus in Garching das Centre for Advanced Laser Applications (CALA). Das Laserforschungszentrum wird ein neues Kurzpulslasersystem, den ATLAS 3000, beherbergen. Mit ihm werden erstmals Laserpulse erzeugt, die über eine Leistung von drei Petawatt verfügen. Die daraus erzeugten Laserpulse in Kombination mit der verbesserten Nanoröhrchen-Kohlenstofffolien-Technologie lassen einen medizinischen Einsatz von lichtgetriebener Ionenstrahlung näher rücken. Thorsten Naeser

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