Festkörper-Photonik ermöglicht extrem kurzwellige UV-Strahlung

Mit ultrakurzen Laserpulsen haben Wissenschaftler aus dem Labor für Attosekundenphysik in dünnen dielektrischen Schichten EUV-Strahlung erzeugt und die zugrunde liegenden Mechanismen untersucht.

 

Das Jahr 1961, die Erfindung des Lasers lag erst kurz zurück, markierte den Beginn der nichtlinearen Optik und Photonik. Denn erstmals war es Wissenschaftlern gelungen, durch Bestrahlung von Quarz-Kristallen (Siliziumdioxid) mit intensivem Licht aus einem Ruby-Laser Strahlung mit doppelt so hoher Frequenz zu erzeugen, also die ursprüngliche Strahlung vom sichtbaren in den UV-Bereich zu verschieben. Nun hat ein Team um Dr. Eleftherios Goulielmakis, Leiter der Forschungsgruppe Attoelectronics am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, intensive und ultrakurze Laserpulse auf dünne Filme aus eben demselben Material geschossen. Dabei konnten sie die Frequenz des Lasers sogar um das 20fache erhöhen und damit Strahlung im extrem kurzwelligen UV-Bereich (EUV) erzeugen. Die dabei verwendeten Laserpulse enthielten nur eine einzige Schwingung des Wellenzyklus und erlaubten es den Wissenschaftlern, die Bewegung der Elektronen innerhalb des Festkörpergitters extrem schnell zu steuern. Wenn die Elektronen im periodischen Potential des von Atomen gebildeten Gitters abprallen, geben sie Strahlung ab und wandeln so die mit dem Laserlicht aufgenommene Energie in EUV-Strahlung um. Da die Bewegungen der Elektronen unter dem Einfluss der kurzen Laserpulse auch die Eigenschaften des Festkörpers widerspiegeln, führen die Untersuchungen der emittierten Strahlung zu einem tieferen Verständnis der Struktur der Festkörper und der in ihnen ablaufenden Prozesse. Darüber hinaus ebnen diese Experimente den Weg zu neuen Festkörper-basierten photonischen Geräten.

Nichtlineare Optik und der große Bereich ihrer Anwendung, beispielweise in der Grundlagenforschung, der Lasertechnik, der Telekommunikation und der Medizin, basiert auf der Umwandlung von Licht einer Farbe (bzw. Frequenz) in Licht einer anderen. Solche Prozesse werden durch die Wechselwirkung von intensiver Laserstrahlung mit Materie ausgelöst. Sie erlauben es, laserähnliche Strahlung bei Farben (Frequenzen) zu erzeugen, die nicht direkt zugänglich sind. Damit werden auch ganz neue Anwendungen möglich.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird Strahlung im EUV- oder sogar Röntgen-Bereich erzeugt, indem die Bewegung von Elektronen in Atomen und Molekülen in der Gasphase mit intensivem Laserlicht gesteuert wird. „In festen Stoffen – und diese bilden die Grundlage für moderne photonische Anwendungen – stellt sich die Situation schwieriger dar“, betont Dr. Goulielmakis. Denn Festkörper nehmen gewöhnlich Schaden, wenn sie intensiver Strahlung ausgesetzt sind. Und was noch gravierender ist: die schnell vibrierenden Atome im Festkörper stoßen immer wieder ungeordnet mit den lasergetriebenen Elektronen zusammen. Dies verhindert die Erzeugung kohärenter, laserähnlicher Strahlung. Diese Hürde konnten die MPQ-Wissenschaftler jetzt umgehen, indem sie extrem kurze Laserpulse mit einer Dauer von weniger als zwei Femtosekunden (die also gerade mal eine Feldschwingung enthalten) verwendeten. „So kurze Laserpulse kann der Film aushalten, denn innerhalb dieser kurzen Zeitspanne werden die Atome kaum von dem Laserlicht aus der Ruhe gebracht“, sagt Tran Trung Luu, ein Wissenschaftler aus dem Team. „Deshalb gelang es, extrem kurzwellige UV-Strahlung in dem Film zu erzeugen.“

Doch die Wissenschaftler begnügten sich nicht mit diesem Resultat. „Um mehr Informationen über die Struktur des Festkörpers, genauer gesagt, die Energiedispersion im Leitungsband, zu erhalten, untersuchten wir die Charakteristik der emittierten Strahlung im Detail“, erklärt Goulielmakis. „Das war bislang mit herkömmlicher Festkörperspektroskopie nicht möglich.“ Unter dem Einfluss der optischen Felder gelangen die Elektronen vom Valenz- ins Leitungsband, in dem sie vom Laserfeld beschleunigt werden. „Bei ihrer Bewegung durch den Kristall spüren die Elektronen die sie umgebende Struktur, und diese Information ist in der emittierten Strahlung enthalten”, führt Manish Garg aus, ein Wissenschaftler im Team.

Aber wie schnell schwingen die Elektronen, um die EUV-Strahlung zu erzeugen? Dies erschließt die Frequenz der ausgesandten Strahlung, wenn man geeignete theoretische Modelle verwendet. „Wir haben starke Anzeichen dafür, dass die Laserpulse die Elektronen zwingen, in dem periodischen Kristallpotential extrem schnelle Schwingungen von mehreren 10 Petahertz (1015 Hz) auszuführen“, erklärt Goulielmakis. „Es handelt sich dabei um die schnellsten jemals in einem Festkörper erzeugten elektrischen Ströme, und die Untersuchung der ausgesandten Strahlung erlaubt es uns, in die Dynamik dieser extrem schnellen Bewegung hinein zu blicken.“ Indem sie die Form und Dauer der Lichtpulse variierten, konnten die Wissenschaftler darüber hinaus diese ultraschnellen elektrischen Ströme gezielt beeinflussen. „Unsere Arbeit zeigt neue Wege auf, lichtbasierte Elektronik bei Multi-Petahertz-Frequenzen zu realisieren“, fasst der Gruppenleiter zusammen. Olivia Meyer-Streng

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