Frequenzkamm im Bereich molekularer Fingerabdrücke

Ein Silizium-Nanodraht erzeugt als optischer Wellenleiter einen breitbandigen Frequenzkamm im mittleren Infrarot.

23. Februar 2015

In einer in Nature Communications (20. Februar 2015) veröffentlichten Arbeit beschreibt eine internationale Forscher-Kollaboration um Frau Dr. Nathalie Picqué, Max-Planck Institut für Quantenoptik (MPQ) und Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) eine zuverlässige neue Technik zur Erzeugung eines breitbandigen optischen Frequenzkamms im mittleren infraroten Spektralbereich. Das Spektrum eines Lasers wird dabei in einem als Wellenleiter dienenden lithographisch hergestellten Silizium-Nanodraht schon bei kleinen Pulsenergien so drastisch verbreitert, dass ein kohärenter Frequenzkamm entsteht, dessen spektrale Breite mehr als eine Oktave umspannt. Kollaborationspartner sind die Universität Gent (Belgien), das Interuniversity MicroElectronics Center (Belgien), die Universität von Auckland (Neuseeland) und das Institut des Sciences Moléculaires d’Orsay (Frankreich).

Anfang der 2000er Jahre gelang es erstmals, extrem breitbandige „Superkontinua“ durch spektrale Verbreiterung von kurzen Laserpulsen in mikrostrukturierten Lichtleiterfasern zu erzeugen. Solche Superkontinua finden heute wichtige Anwendungen in verschieden Bereichen der Photonik, wie der optischen Kohärenztomographie, der optischen Nachrichtenübertragung, oder der Fluoreszenzmikroskopie. Die Technik war auch der Schlüssel zur Erzeugung von kohärenten optischen Frequenzkämmen, die mehr als eine Oktave umspannen. Das Spektrum eines solchen Frequenzkammes besteht aus einer großen Zahl diskreter Spektrallinien, deren Linienabstand genau der Pulswiederholrate entspricht. Solche Frequenzkämme eignen sich zur präzisen Messung optischer Frequenzen, denn sie erlauben einen einfachen und direkten Vergleich von optischen Frequenzen mit der Radiofrequenz einer Atomuhr. In der Molekülspektroskopie lassen sich alle Kammlinien gleichzeitig nutzen, um komplexe, breitbandige Spektren sehr schnell und mit hoher Empfindlichkeit zu
vermessen.

Frequenzkämme im sichtbaren und nah-infraroten Spektralbereich sind heute kommerziell verfügbar. Der mittlere infrarote Spektralbereich (2-20µm) ist dagegen noch wenig erschlossen. Dort findet man die starken fundamentalen Schwingungsbanden der meisten Moleküle und zwei spektrale Transmissionsfenster der Atmosphäre. Die Entwicklung photonischer Technologien für diesen wichtigen Spektralbereich wird vielerorts mit Nachdruck betrieben. Viele Anwendungen in der Spektroskopie, den Materialwissenschaften, der Sicherheitstechnik, oder industriellen Prozesssteuerung, sowie der hochempfindliche Nachweis von Molekülen in der Chemie, Biologie oder Medizin würden unmittelbar von leistungsfähigeren photonischen Strahlquellen in mittleren Infraroten profitieren. Insbesondere sind neue Strategien für die Erzeugung von Frequenzkämmen in dieser spektralen Region von grosser Bedeutung für die Molekülwissenschaften. Leider gibt es jedoch nur wenige Wellenleiter-Materialien, die sich dort für die Erzeugung breitbandiger Frequenzkämme bei niedrigen Schwellenenergien eignen, und die Lösung der technischen Probleme bleibt eine große Herausforderung.

Prof. Theodor Hänsch ist seit 1986 Direktor der Abteilung Laserspektroskopie am MPQ und Professor für Experimentalphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Jahr 2005 erhielt er den Nobelpreis für Physik, gemeinsam mit Roy Glauber und John Hall, für seine Arbeiten in der Präzisionslaserspektroskopie, wobei insbesondere die Entwicklung der Frequenzkammtechnik gewürdigt wurde. Seit 2006 wird seine Forschung von der Max-Planck-Förderstiftung und der Carl Friedrich von Siemens Stiftung unterstützt.

Ein Team von Wissenschaftlern am MPQ hat nun mit Erfolg einen neuen Weg zur Erzeugung breiter Frequenzkämme im mittleren Infrarot aufgezeigt. Hierfür nutzen sie CMOS-kompatible nanophotonische Silizium-Wellenleiter auf einem Silicon-on-Insulator Chip. Mit hochgradig nichtlinearen Wellenleitern mit ingenieurgerecht kontrollierter Dispersion konnten sie phasenkohärente Frequenzkämme mit mehr als einer Oktave Breite von 1500 bis 3300 nm erzeugen. Im Gegensatz zu früheren Ansätzen sind die Wellenleiter chemisch stabil. Selbst nach mehreren Monaten wurden keine Änderungen im erzeugten Superkontinuum beobachtet. Nach weiterer Entwicklung sollte es möglich sein, auf Silizium-Basis bei Zimmertemperatur kohärente Frequenzkämme bis zu 8500 nm zu erzeugen. Auf längere Sicht könnten solche miniaturisierten Wellenleiter ein auf einem Chip integriertes Frequenzkamm-Spektrometer ermöglichen, das sich z.B. für den hochempfindlichen chemischen Spurennachweis eignet.

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