Frequenzkämme als "Schnüffler" für Moleküle

Für die Identifizierung von Molekülen erzeugen winzige kristalline Resonatoren Frequenzkämme im mittleren Infrarot.

11. Januar 2013

Die meisten Moleküle, auch solche, die für die medizinische Diagnose oder für Schadstoffmessungen interessant sind, besitzen charakteristische „Fingerabdrücke“ im mittleren Infrarot. Die derzeit üblichen Techniken, Frequenzkämme in diesem Spektralbereich zu erzeugen, beruhen allerdings auf sehr unhandlichen, kostspieligen und in ihren Anwendungen eingeschränkten Systemen.

Einem Team von Wissenschaftlern der Abteilung Laserspektroskopie am Max-Planck-Institut für Quantenoptik ist es nun, in Zusammenarbeit mit der Ecole Polytechnique de Lausanne (Schweiz), der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Menlo Systems GmbH (Martinsried bei München) und dem Institut des Sciences Moléculaires d’Orsay (France), gelungen, Frequenzkämme im mittleren Infrarot mit Hilfe von winzigen kristallinen Mikroresonatoren zu erzeugen (Nature Communications, 8. Januar 2013). Solche Miniatur-Werkzeuge, die Moleküle in kürzester Zeit und mit hoher Empfindlichkeit nachweisen und charakterisieren, könnten viele wissenschaftliche und technische Bereiche geradezu revolutionieren.

Bei optischen Frequenzkamm-Generatoren handelt es sich um kohärente Lichtquellen, die einen Kamm aus vielen Spektrallinien in exakt dem gleichen Frequenzabstand erzeugen. In den letzten zehn Jahren haben solche „Kämme“ die Frequenzmessung von Licht um Größenordnungen verbessert, was in der Verleihung des Nobelpreises für Physik an Prof. Theodor W. Hänsch im Jahr 2005 seine höchste Anerkennung fand. Heute haben sich Frequenzkämme mehr und mehr zu universellen Werkzeugen für viele und unerwartete Anwendungen entwickelt. Insbesondere in der Spektroskopie von Molekülen wurden durch ihren Einsatz sehr große Fortschritte erzielt, sowohl in der Geschwindigkeit der Messung als auch in der Auflösung und in der Genauigkeit von Fourier-Spektrometern. Der Spektralbereich im mittleren Infrarot ist in dieser Hinsicht besonders wichtig, da Moleküle gerade hier besonders viele charakteristische Spektrallinien besitzen, ihren “Fingerabdruck” sozusagen. Die derzeit üblichen Verfahren zur Erzeugung von Frequenzkämmen im mittleren Infrarot beruhen größten Teils auf der nichtlinearen Umwandlung von Laserlicht im Nahen Infrarot. Dies macht die Systeme, wie in einem Artikel* in Nature Photonics Juli 2012 erörtert wurde, sehr unhandlich, teuer, und nur für Spezialisten zu gebrauchen.

Die neue, von einem Wissenschaftler-Team am MPQ entwickelte Methode umgeht diese Hindernisse. Der Frequenzkamm im mittleren Infrarot entsteht hier durch die Anregung von sehr vielen Schwingungsmoden, sogenannten „whispering gallery modes“, in einem kleinen, toroidförmigen und monolithischen Mikroresonator. Angeregt wird der Resonator mit kontinuierlicher Laserstrahlung, wobei ein Gütefaktor von mehr als 109 erzielt wird. In einem nichtlinearen Prozess, der „Vierwellenmischung“, werden die Schwingungen in ein breites Spektrum aus diskreten Kammlinien (Abstand 100 GHz) bei einer Wellenlänge nahe 2,5 Mikrometer umgewandelt. „Die bemerkenswerten Eigenschaften dieses Kamm-Generators sind seine kleinen Ausmaße, der große Linienabstand, die hohen Leistung pro Spektrallinie, sowie die hohe Umwandlungseffizienz“, erklärt Dr. Christine Wang, die dieses Experiment als Postdoc-Wissenschaftlerin durchgeführt hat. „Die richtige Wahl des Ausgangsmaterials – in unserem Fall Magnesiumfluorid – sowie die ordnungsgemäße Fertigung des Resonators sind der Schlüssel für die große spektrale Bandbreite und das geringe Phasenrauschen, die Voraussetzungen für die Verwendung der Lichtquelle als Frequenzkamm sind.“ Das Spektrum der Fundamentalschwingungen von Molekülen in flüssiger Phase könnte damit innerhalb von Nanosekunden bestimmt werden, bei Unterbrechungszeiten in gleicher Größenordnung.

*A. Schliesser, N. Picqué, T.W. Hänsch, Mid-infrared frequency combs, Nature Photonics 6, 440-449 (2012)

Zur Redakteursansicht