Lichtwellenelektronik an scharfen Metallspitzen

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Quantenoptik steuern erstmals die Elektronenemission aus Metallspitzen mit Femtosekunden-Laserpulsen.

7. Juli 2011

Die Steuerung von Elektronen durch intensive phasenstabile Lichtpulse von nur einigen Femtosekunden Dauer erlaubt es, physikalische Prozesse auf der Attosekundenskala aufzulösen. Die selbständige Forschungsgruppe Ultraschnelle Quantenoptik von Dr. Peter Hommelhoff (Max-Planck-Institut für Quantenoptik) hat diese Methode jetzt auf Festkörperoberflächen angewandt, genauer gesagt, auf extrem scharfe Metallspitzen (Nature, 7. Juli 2011). Dabei konnten die Wissenschaftler zeigen, dass bereits vergleichsweise kleine Laserintensitäten ausreichen, um die Elektronenemission mit der Phase der Lichtschwingung stark zu beeinflussen und zu steuern. Die beobachtete Modulation des resultierenden Energiespektrums lässt sich – in Einklang mit numerischen Rechnungen – mit einer phasenabhängigen kohärenten Interferenz von Elektronenwellenpaketen deuten. Neben Anwendungen in der Grundlagenforschung ist die neue Technik auch von praktischem Interesse: Die experimentelle Anordnung stellt ein einfaches, miniaturisierbares und extrem empfindliches Gerät für die Phasenmessung von Laserpulsen dar und könnte zudem die Konstruktion von ultraschnellen optischen Transistoren ermöglichen.

Kernstück des Experiments ist eine Wolframspitze (Abb. 1), die mit kurzen Laserpulsen von nur einigen Femtosekunden Dauer bestrahlt wird (eine Femtosekunde entspricht einem Millionstel eines Milliardstels einer Sekunde, Abb. 2). Ist der Laserpuls intensiv genug, können die Elektronen in der Spitze so viel Energie aus dem Lichtfeld aufnehmen, dass sie aus dem Metall austreten und auf einem Detektor vor der Spitze nachgewiesen werden können. Da die Spitze mit einem Krümmungsradius von zehn Nanometern extrem scharf ist, verstärkt sich hier die Intensität des Laserlichts um ein Vielfaches (dieses Prinzip der Feldüberhöhung wird auch bei Blitzableitern genutzt), so dass vergleichsweise schwache Laserpulse ausreichen, um Elektronen aus dem Metall zu lösen.

Abb. 1: Mit einem Laserpuls beleuchtete Metallspitze. Foto: Thorsten Naeser, MPQ

Die für die Elektronenemission verwendeten Femtosekunden-Lichtpulse enthalten so wenige Schwingungen des Laserfeldes, dass die elektrische Feldstärke, die während eines Pulses auf die Spitze einwirkt, stark von der Phasenverschiebung der Trägerwelle relativ zum Pulsmaximum abhängt (siehe Abbildung 2).

Abb. 2:Typische zeitliche Struktur des elektrischen Feldes von Femtosekunden-Laserpulsen. Die maximalen Auslenkungen der Lichtschwingung (blau) hängt von ihrer Phase relativ zum Pulsmaximum (der Einhüllenden, grün) ab. Beim linken Puls beträgt diese Phasendifferenz 180 Grad, beim rechten Puls 0 Grad.

In dem hier beschriebenen Experiment werden die Anzahl und die kinetische Energie der freigesetzten Elektronen in Abhängigkeit von dieser Phasendifferenz gemessen. Wie in Abb. 3 zu sehen ist, hat die Phasenverschiebung tatsächlich einen starken Einfluss auf die Struktur des Elektronenspektrums. Hier sind zwei Spektren abgebildet, deren Phasenverschiebung sich um 180 Grad unterscheidet. Zunächst fällt auf, dass die Phasenverschiebung steuert, wie viele Elektronen bei einer bestimmten Energie registriert werden. „Je höher die Energie der Elektronen ist, desto näher kommen wir der Situation, dass wir durch Änderung der Phasenverschiebung um 180 Grad den Strom komplett ein- oder ausschalten können“, erklärt Michael Krüger, neben Markus Schenk einer der beiden Doktoranden und Erstautoren.

Die Phasenverschiebung bestimmt auch, ob ausgeprägte Spitzen in den Spektren beobachtet werden oder nicht. Diese Maxima zeugen davon, dass Elektronen gemäß der Quantenmechanik auch den Charakter von Materiewellen besitzen. So können bei einer Phasenverschiebung von 180 Grad zu zwei verschiedenen Zeitpunkten während eines Pulses Elektronen mit hoher Energie ausgesandt werden. Die Interferenz der beiden Materiewellenpakete am Detektor führt zu der beobachteten Interferenzstruktur im Spektrum. Gibt es die Möglichkeit der Elektronenemission nur einmal, dann ist keine Interferenz möglich und die Maxima verschwinden. „Wir können damit die Dynamik der Elektronen mit Attosekundengenauigkeit erschließen. Dieser Bereich ist mit konventioneller Elektronik nicht zugänglich “, erklärt Markus Schenk.

Abb. 3:Energiespektren von Elektronen für verschiedene Phasendifferenzen (180° und 0°). Im Fall von 180° sind klar ausgeprägte, gleichmäßig voneinander entfernte Maxima zu beobachten, während für 0° kein solches Interferenzmuster auftritt. In den Kästchen findet sich die physikalische Erklärung: Im linken Bild werden zu zwei Zeitintervallen Elektronen mit hoher Energie ausgesandt (rote Ellipsen), was zu dem quantenmechanischen Interferenzmuster im Spektrum führt. Im rechten Bild erfolgt die Emission dagegen nur in einem Zeitintervall, so dass keine Interferenz auftreten kann. Hier werden dafür die höchsten Elektronenergien erreicht, und die Zahl der Elektronen bei hoher Energie ist größer (siehe gestrichelter Kreis). Der flache Verlauf des Spektrums zwischen 5eV und 10eV Energie (gut sichtbar für 0°) weist auf elastische Rückstreuung hin.

Aus der Form der Spektren schließen die Wissenschaftler, dass das Laserfeld auch nach der Emission der Elektronen aus dem Metall noch einen starken Einfluss auf ihre Bewegung hat. Der flache Verlauf bei mittleren Energien deutet darauf hin, dass ausgelöste Elektronen vom Laserfeld in Richtung Spitze zurückgetrieben und an deren Oberfläche gestreut werden, bevor sie weiter in Richtung Detektor fliegen. „Das Experiment zeigt, dass die Rückstreuung der Elektronen an der Metallspitze ihre Fähigkeit zu interferieren nicht zerstört, d.h. kohärent erfolgt“, erklärt Markus Schenk. Ein einfaches Modell, das die Bewegung des Elektrons im elektrischen Feld des Lasers rein klassisch beschreibt, aber auch die Wellennatur der Elektronen berücksichtigt, reproduziert die beobachteten Spektren erstaunlich gut.

Abb. 4:Eine Wolframspitze wird mit einem Laserpuls (roter Ball) beleuchtet. Die blaue Welle illustriert das resultierende Interferenzmuster der beiden aus der Spitze emittierten Elektronen. Bild: Christian Hackenberger

Erstmals ist es den Physikern damit gelungen, die Bewegung von Elektronen, die durch das Feld eines Femtosekunden-Lichtpulses aus einem Festkörper emittiert werden, gezielt zu lenken. Die dafür benötigte Intensität des Laserlichts ist weit geringer als bei vergleichbaren Experimenten mit Elektronen in atomaren Gasen. Die Forscher sehen in der neuen Methode zum einen ein wichtiges Werkzeug, um fundamentale Erkenntnisse über die Dynamik der Elektronen an Festkörperoberflächen zu gewinnen. So ist zum Beispiel nicht klar, ob die Rückstreuung der Elektronen an der Oberfläche als Ganzem oder an einem einzelnen Atom innerhalb oder auf der Oberfläche erfolgt. Zum andern hat das Verfahren aufgrund der niedrigen Laserintensitäten auch ein hohes Anwendungspotential. Mit der Kombination aus einer Metallspitze, einem Energiefilter und einem Elektronen-Vervielfacher lassen sich z.B. praktische und kompakte Geräte für die Phasenmessung und Phasenstabilisierung von Laserpulsen realisieren. Ebenfalls denkbar ist die Entwicklung von optischen Feldeffekt-Transistoren, bei denen ein elektrischer Strom durch das Lichtfeld mit Attosekundenpräzision ein- und ausgeschaltet werden kann. [OM]

Kontakt:

Dr. Peter Hommelhoff
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Straße 1, 85748 Garching
Telefon: +49 (0)89 / 32 905 -265
E-Mail:   peter.hommelhoff@mpq.mpg.de

Dr. Olivia Meyer-Streng
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Telefon: +49 (0)89 / 32 905 -213
E-Mail:   olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de

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