Ein Interface für Quantencomputer
Forscher am Max-Planck-Institut für Quantenoptik entwickeln Schlüsselbaustein für skalierbare Quantencomputer
Ein Netz aus verteilten, miteinander kommunizierenden Quantenspeichern – so könnte der Quantencomputer der Zukunft aussehen. Einem Team um Prof. Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) ist es nun gelungen, einen essentiellen Baustein eines solchen Rechners zu realisieren. Wie die Wissenschaftler Tatjana Wilk, Simon Webster, Axel Kuhn und Gerhard Rempe in der Zeitschrift Science (Science Express vom 21. Juni 2007) berichten, konnten sie erstmals den Quantenzustand eines einzelnen Atoms auf ein einzelnes Lichtquant, auch Photon genannt, übertragen. Kernstück dieser Einzel-Atom-Einzel-Photon-Schnittstelle ist ein optischer Resonator, der ein einzelnes Rubidiumatom enthält. Im ersten Schritt wird ein angeregtes Atom mit dem Photon, das es in den Resonator emittiert, quantenmechanisch verschränkt. Nach erneuter Anregung sendet das Atom ein zweites Photon aus und überträgt darauf seinen Quantenzustand. Da nun die Verschränkung zwischen den beiden emittierten Photonen besteht, lässt sich der Erfolg des Übertragungsprozesses durch die Messung der Eigenschaften der beiden korrelierten Photonen belegen. Die damit realisierte Schnittstelle zwischen einem stationären Quantenspeicher (dem Atom) und einem „fliegenden“ Medium (dem Lichtquant) als Überbringer der Botschaft ist eine wichtige Voraussetzung, um skalierbare Quantencomputer zu verwirklichen.
Seit einigen Jahren gibt es verschiedene Quantenysteme, die elementare Quantenrechnungen erfolgreich ausführen können. Bislang bestehen sie aber nur aus einigen wenigen Quantenbits (Qubits) wie Atomen oder Ionen, die in der Quantenwelt die Aufgaben der klassischen Bits übernehmen, und sind von ihrer Struktur her nicht auf Systeme mit sehr vielen Qubits zu erweitern. Eine Idee für einen „skalierbaren“ Quantenrechner ist ein Netz aus vielen kleinen Rechen- oder Speichereinheiten, die miteinander kommunizieren. Die Speichereinheiten können dabei von einzelnen Atomen dargestellt werden, in deren internen Zustand ein Qubit kodiert werden kann. Wird dieser Zustand auf ein Photon übertragen, z. B. in dessen Polarisationszustand geschrieben, dann kann es diese Information über weite Distanzen übertragen.
Skizze des Experiments: ein Atom in einem optischen Resonator wird durch einen Laser zur Emission eines verschränkten Photonenpaares stimuliert. Eine Wellenplatte dreht die zirkulare Polarisation der Photonen in eine lineare Polarisation. Die Farben Rot und Blau symbolisieren die beiden Spinzustände des Atoms bzw. Polarisationszustände der Photonen.
Die MPQ-Physiker realisieren eine solche Schnittstelle zwischen einzelnen Atomen und Lichtquanten mit einem von zwei hoch reflektierenden Spiegeln gebildeten optischen Resonator. Darin regen sie einzelne Rubidiumatome mit Laserpulsen zum Leuchten an. Die speziellen Eigenschaften des Resonators bringen das Atom dazu, nur Photonen einer bestimmten Frequenz in eine genau definierte Richtung zu emittieren. Mit einem Atom im freien Raum ist dies nicht zu bewerkstelligen.
Das Atom hat bei der Emission des Photons zwei Möglichkeiten: es sendet entweder ein rechts-zirkular oder links-zirkular polarisiertes Photon aus. Aufgrund der Erhaltung des Gesamtdrehimpulses rotiert das zurückbleibende Atom jeweils in die Gegenrichtung, d.h. sein Spin zeigt entsprechend nach oben „UP“ bzw. nach unten „DOWN“. Wie es für Quantensysteme typisch ist, entscheidet sich das Atom nicht für eine der beiden Möglichkeiten, sondern schlägt beide Wege gleichzeitig ein und befindet sich dann in einem „Superpositionszustand“, in dem sich beide Möglichkeiten überlagern. Die Eigenschaften des Atoms und des Photons bleiben dabei korreliert, d.h. eng miteinander verknüpft. Die beiden Teilchen befinden sich also in einer quantenmechanischen „Verschränkung“. Nun soll gezeigt werden, dass sich der Quantenzustand des Atoms zuverlässig auf ein zweites Photon übertragen lässt. In einem nächsten Schritt wird deshalb das Atom mit Hilfe eines zweiten Laserpulses zur Aussendung eines zweiten Photons stimuliert. Dabei geht nun der atomare Zustand „UP“ in ein links-zirkular polarisiertes Photon über, der Zustand „DOWN“ in ein rechts-zirkular polarisiertes. Alle Eigenschaften des gewissermaßen zweideutigen atomaren Zustandes werden dabei auf die Polarisation des zweiten Photons übertragen, so dass die Verschränkung, die zuerst zwischen dem Atom und dem erstem Photon bestand, nun auf die beiden nacheinander emittierten Photonen übertragen worden ist. Einer Reihe von Messungen hat gezeigt, dass die Polarisationszustände beider Photonen stets verschränkt sind. Dies bedeutet, dass sowohl die Atom-Photon Verschränkung bei der ersten Photoemission mit hoher Zuverlässigkeit funktioniert, als auch dass die Schnittstelle zwischen Atom und Photon die Quanteninformation des Atoms vollständig auf das zweite Photon überträgt.
„Mit den einzelnen Atomen und einzelnen Photonen steht nun erstmals eine Schnittstelle zwischen einem digitalen Speicher und einem digitalen Überträger von Quanteninformationen zur Verfügung“, betont Prof. Gerhard Rempe. „In einem nächsten Schritt planen wir, Photonen aus zwei Atom-Resonator-Systemen zur Überlagerung zu bringen und dadurch zwei entfernte Quantenspeicher miteinander zu verschränken. Damit erhielten wir ein erstes, wenn auch noch kleines Quantennetzwerk.“ [T.W./O.M.]
Kontakt:
Prof. Dr. Gerhard Rempe
Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Straße 1, 85748 Garching
Telefon: +49 (0)89 32 905 -701 / Fax: -311
E-Mail: gerhard.rempe@mpq.mpg.de
Dipl. Phys. Tatjana Wilk
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Telefon: +49 (0)89 32 905 -333 / Fax: –395
E-Mail: tatjana.wilk@mpq.mpg.de
Dr. Olivia Meyer-Streng
Presse & Kommunikation
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Telefon: +49 (0)89 32 905 -213
E-Mail: olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de