Einsteins "spukhafte Fernwirkung" über Rekord-Distanz von 144 km nachgewiesen
- Praktische Anwendung in der abhörsicheren Kommunikation
In einer experimentellen Studie für die Europäische Raumfahrtagentur ESA hat ein europäisches Konsortium von Wissenschaftlern unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) und der Universität Wien gezeigt, dass die so genannte quantenmechanische Verschränkung selbst über eine Distanz von 144 km nachweisbar bleibt - 10 mal weiter als je zuvor gemessen. Dies wurde in einem Experiment zwischen den kanarischen Inseln La Palma und Teneriffa demonstriert. Dieses Ergebnis hat nicht nur Bedeutung für die Grundlagenphysik sondern auch praktische Anwendung: Die Quantenkorrelationen können zur Erzeugung eines geheimen Schlüssels und damit zur abhörsicheren Nachrichtenübertragung verwendet werden. Das berichten die Teams von Anton Zeilinger (Universität Wien) und Harald Weinfurter (Universität München, MPQ), sowie Wissenschaftler aus Bristol und Padua in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Physics (http://www.nature.com/nphys/index.html)
Was passiert wenn eines von zwei verschränkten Lichtteilchen weit entfernt vom anderen gemessen wird? Die Situation scheint zunächst sehr dem Spiel mit zwei herkömmlichen Würfeln ähnlich zu sein. Nach einem Wurf zeigt jeder der beiden eine zufällige Augenzahl – das gleiche würden wir auch bei verschränkten Würfeln beobachten. Während aber bei herkömmlichen Würfeln die beiden Zahlen unabhängig voneinander sind, zeigen die verschränkten Würfel immer die gleiche Augenzahl, egal wie weit sie voneinander getrennt sind. Genau dieser Umstand wird in der Quantenkryptogrphie ausgenutzt, um einen kryptographischen Schlüssel zu erstellen.
Im beschriebenen Experiment wurden die verschränkten Photonen am Roque de los Muchachos Observatorium (2400 m) auf der Kanarischen Insel La Palma erzeugt. Eines der Photonen wurde über ein Teleskop auf seine 144 km lange Reise durch die Luft zur Nachbarinsel Teneriffa geschickt, wo das OGS, ein für die Satellitenkommunikation gebautes Teleskop der ESA, als Empfänger diente. Das Schwester-Photon wurde lokal in La Palma gemessen, wobei die Messergebnisse der Polarisation (entspricht der Augenzahl der Würfel) der beiden Photonen miteinander verglichen wurden. Mit großer Wahrscheinlichkeit ergab die Messung in La Palma dasselbe Ergebnis wie die Messung am Photon in Teneriffa. Mittels dieser Eigenschaft konnte ein geheimer Schlüssel ausgetauscht werden, den nur die rechtmäßigen Sender und Empfänger kennen und daher zur abhörsicheren Nachrichtenübertragung verwenden können.
Wenn gleich der quantenmechanische Effekt der Verschränkung schon lange bekannt und in vielen Experimenten untersucht worden ist, ist es eine gewaltige technische
Herausforderung, dies über sehr große Distanzen zu realisieren. Auf dem Weg durch die Atmosphäre wechselwirken die Lichtteilchen mit Atomen und Molekülen, obendrein lenkt Luftunruhe den Lichtstrahl ab, ähnlich dem Flirren über heißem Asphalt. Im Experiment konnte jedoch eine hohe Verschränkungsqualität der Partnerteilchen nachgewiesen werden. Alternativ können auch schwache Laserpulse zur Quantenkryptographie verwendet werden, bisher aber nur über kurze Distanzen. Im Rahmen des ESA (General Study Programme) Projekts wurde gezeigt, dass, unter Ausnutzung einer neuartigen Kodierung, mit vergleichbarer Ausbeute Schlüssel auch über diese große Entfernung erzeugt werden können (siehe Physical Review Letters 98, 010504).
Will man mit Satelliten kommunizieren ist die Entfernung zwar größer, aber die störende Luftschicht deutlich dünner. Die Experimente zeigen daher eindeutig, dass sichere Nachrichtenübertragung von und zu Satelliten auf Basis der Quantenkommunikation schon mit heutiger Technologie möglich ist. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA plant bereits weitere Schritte hin zur globalen Verteilung von Quantenzuständen entweder mittels Satelliten, oder mit einem Quantenkommunikationsmodul installiert am europäischen Weltraumlabor Columbus der Internationalen Raumstation ISS. Damit wird es möglich sein, die bisherige Entfernungsbegrenzung der Quantenkryptographie zu überwinden und Quantenkommunikation auf globalem Niveau zu verwirklichen. [H.W.]
Kontakt:
Prof. Dr. Harald Weinfurter
Department für Physik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Telefon: +49 (0)89 / 2180 –2044
E-Mail: harald.weinfurter@physik.uni-muenchen.de
http://xqp.physik.uni-muenchen.de
Dr. Olivia Meyer-Streng
Presse & Kommunikation
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Telefon: +49 (0)89 / 32 905 -213
E-Mail: olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de