Quantendynamik

Quantendynamik

Direktor: Prof. Dr. Gerhard Rempe

 Selbst ein Jahrhundert nach ihrer Entdeckung hat die Quantenphysik nichts von ihrer Faszination verloren. Das liegt daran, dass sich die Quantenwelt so radikal anders verhält als die klassische, aus dem Alltag bekannte Welt. Als Beispiele für den Unterschied zwischen diesen Welten werden gewöhnlich der Welle-Teilchen-Dualismus oder die Heisenbergsche Unschärferelation heran gezogen. Der Welle-Teilchen-Dualismus beschreibt die Tatsache, dass sich Quantenobjekte wie Teilchen, wie Wellen oder wie beides zugleich verhalten können. Die Heisenbergsche Unschärferelation sagt Quantenfluktuationen wie das Schrotrauschen vorher, das beim Nachweis von Licht beobachtet werden kann. Wellen- und Teilchenkonzepte sind jedoch der klassischen Physik entlehnt und nicht neu in der Quantenphysik. Zudem kann Schrotrauschen z.B. bei Experimenten mit einzelnen Photonen vermieden werden. Wodurch unterscheidet sich Quantenphysik also wirklich von der klassischen Physik? Die Antwort lautet, dass die Teilchen in quantenphysikalischen Systemen – ob es sich nun um einige wenige oder um viele handelt – viel stärker miteinander verbunden sind als es die klassische Physik erlaubt. Diese „Verschränkung“ stellt ein ganz wesentliches Konzept der Quanteninformationswissenschaft dar, die den Begriff der Information völlig neu deutet.

Die Erforschung der Quantenwelt und die Bereitstellung von Quanteneffekten für zukünftige Anwendungen insbesondere bei der Verarbeitung von Information sind wesentliche Schwerpunkte unserer Forschung. Die Experimente verfolgen im Wesentlichen zwei unterschiedliche Strategien: Die eine widmet sich der Erforschung von Schnittstellen zwischen der klassischen Welt und der Quantenwelt. „Arbeitspferde“ sind individuelle Atome und maßgeschneiderte Photonen in optischen Resonatoren allerhöchster Güte. Beispiele für diese Forschung sind die von uns entwickelten neuartigen Lichtquellen, die auf Knopfdruck einen Bitstrom einzelner Photonen oder sogar verschränkter Photonen emittieren. Wir arbeiten auch daran, die Quantensysteme systematisch zu vergrößern, in dem wir, eins nach dem andern, immer mehr Atome oder Photonen hinzufügen. Dabei wollen wir herausfinden, ob und wie sich ein Quantennetzwerk oder sogar ein Quanten-Internet realisieren lässt, in dem Information zwischen den Knoten durch einzelne Photonen ausgetauscht wird.

 

Diese Strategie, kleine Systeme durch Hinzufügen weiterer Komponenten schrittweise zu vergrößern, wird ergänzt durch eine zweite komplementäre Strategie, bei der wir mit einem großen System anfangen und die Kontrolle über die einzelnen Bestandteile immer weiter verbessern. Diese Arbeiten werden vor allem mit Quantengasen nahe dem absoluten Temperaturnullpunkt durchgeführt. Solche Gase zeichnen sich gegenüber klassischen Gasen dadurch aus, dass alle Atome zusammen eine gigantische Materiewelle bilden. Sie eignen sich in idealer Weise dazu, Quantensimulationen durchzuführen und damit offene Fragen der Vielteilchenphysik zu erforschen. Gegenüber Elektronen in Festkörperkristallen haben die Quantengase viele Vorteile, zum Beispiel, dass die von uns verwendeten Atome und Moleküle viel leichter zu beobachten sind, dass sich diese auf einer Längenskala von Mikrometern anstatt Nanometern bewegen, und dass relativ leicht die Dimensionalität des Systems durch Einfrieren der Bewegung entlang bestimmter Richtungen verändert werden kann. Wir entwickeln auch neue Methoden, um polare Gase wie Wasserdampf bei Temperaturen unterhalb von einem Kelvin zu erzeugen und zu speichern. Mit solchen Gasen wollen wir neue Klassen von chemischen Reaktionen bei sehr tiefen Temperaturen untersuchen, um nur ein Beispiel zu nennen.

 

Es ist eine äußerst wertvolle Erfahrung, die Schönheit und Vielfalt der Quantenphysik in Laborexperimenten zu erleben und an einer Quantentechnologie für die Zukunft zu arbeiten.

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