Verschränkung auf Distanz gehalten

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Quantenoptik erzielen quantenmechanische Verschränkung von zwei räumlich weit getrennten Quantensystemen.

26. Mai 2011

Seit einigen Jahren gibt es konkrete Vorschläge, wie das quantenmechanische Phänomen der Verschränkung, von Albert Einstein auch als „geisterhafte Fernwirkung“ bezeichnet, für praktische Anwendungen wie etwa die abhörsichere Datenübertragung genutzt werden kann. Dazu ist es notwendig, die aussschließlich lokal entstehende Verschränkung auf weit voneinander entfernte Systeme zu verteilen. Ein Team von Wissenschaftlern um Prof. Gerhard Rempe, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und Leiter der Abteilung Quantendynamik, hat jetzt demonstriert, dass sich zwei räumlich weit getrennte atomare Quantensysteme – ein einzelnes, in einem optischen Resonator gefangenes Atom und ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat aus Millionen von ultrakalten Atomen – in einen gemeinsamen verschränkten Zustand bringen lassen (Physical Review Letters, Advance Online Publication, 26. Mai 2011). Mit dem so entstandenen „Hybrid-System“ haben die Forscher den Grundbaustein für ein Quantennetzwerk realisiert.

Bei dem quantenmechanischen Phänomen der Verschränkung werden zwei Quantenteilchen so miteinander verknüpft, dass ihre Eigenschaften streng miteinander korreliert sind. Dazu müssen die Teilchen direkt miteinander in Kontakt kommen. In einem Quantennetzwerk benötigt man jedoch für viele Anwendungen Verschränkung zwischen weit entfernten Knoten (den „ruhenden Quantenbits“). Um dies zu erreichen können zum Beispiel Lichtteilchen, sogenannte Photonen (die „fliegenden Quantenbits“) zur Übertragung der Verschränkung genutzt werden. Schon in der klassischen Telekommunikation werden Daten heutzutage mit Licht zwischen Rechnern oder Telefonen übermittelt. Im Fall eines Quantennetzwerkes ist dies jedoch ungleich schwieriger, da verschränkte Quantenzustände äußerst zerbrechlich sind und nur bestehen bleiben, wenn die beiden Teilchen perfekt von ihrer Umgebung isoliert sind.

Diese Hürde haben die Garchinger Physiker jetzt genommen, indem sie zwei unterschiedliche, in verschiedenen Laborräumen befindliche atomare Quantensysteme in einen verschränkten Zustand brachten: auf der einen Seite ein einzelnes Rubidiumatom, das in einem aus zwei hochreflektierenden Spiegeln gebildeten Resonator gefangen ist, auf der anderen Seite ein Ensemble aus Millionen extrem kalten Rubidiumatomen, die ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat (BEC) bilden. Im BEC besitzen alle Teilchen die gleichen Quanteneigenschaften, sind ununterscheidbar und verhalten sich gemeinsam wie ein einziges großes „Superatom“.

Zunächst wird das einzelne Atom im optischen Resonator mit einem Laserpuls zum Aussenden eines Photons angeregt. Dabei werden innere Freiheitsgrade des Atoms so mit der Polarisation des Photons verknüpft, dass beide Teilchen miteinander verschränkt sind. Über ein 30 Meter langes Glasfaserkabel wird das Photon in ein benachbartes Labor überführt und dort auf das BEC gelenkt. Hier wird es absorbiert und in Form einer kollektiven Anregung aller Atome des BECs gespeichert. „Der Austausch von Quanteninformation zwischen Photonen und atomaren Quantensystemen erfordert eine starke Licht-Materie-Wechselwirkung“, erklärt Matthias Lettner, Doktorand am Experiment. „Während wir dies beim einzelnen Atom durch die Vielfachreflexionen zwischen den beiden Spiegeln des Resonators erreichen, wird die Licht-Materie-Wechselwirkung beim BEC durch die große Zahl an Atomen verstärkt.“

Dass Einzelatom und BEC durch die Übertragung des Photons wirklich miteinander verschränkt sind, weisen die Physiker in einem weiteren Schritt nach. Dazu wird mithilfe eines Laserpulses das im BEC absorbierte Photon wieder freigesetzt und der Zustand des Einzelatoms durch die Erzeugung eines zweiten Photons ausgelesen. Aus der Verschränkung der beiden Photonen mit 95% des maximal möglichen Wertes lässt sich schließen, dass die Verschränkung der beiden atomaren Quantensysteme mindestens ebenso gut ist. Des Weiteren besteht die Verschränkung rund 100 Mikrosekunden lang. Das ist hundert Mal länger als der Übertragungsprozess dauert.

„Die gute Eignung eines BEC als Quantenspeicher hängt auch damit zusammen, dass in diesem exotischen Quantenzustand keine Störungen durch Wärmebewegung auftreten“, betont Matthias Lettner. „Dies ermöglicht es, Quanteninformation mit hoher Effizienz abzuspeichern und auszulesen sowie über lange Zeiten zu erhalten.“

Das Team von Prof. Rempe hat in diesem Experiment den Grundbaustein eines Quantennetzwerks aus zwei weit entfernten, miteinander verschränkten Knoten realisiert. Dies ist ein Meilenstein auf dem Weg zu ausgedehnten Quantennetzwerken, in denen z.B. Information absolut abhörsicher übertragen werden kann. Aber auch universelle Quantencomputer, in denen Quantenbits mit Photonen zwischen den Knoten ausgetauscht und dort gespeichert und verarbeitet werden, lassen sich mit solchen Netzwerken verwirklichen. Olivia Meyer-Streng

Abbildung: Ein einzelnes Atom und ein BEC in getrennten Laboren dienen als Knoten in einem einfachen Quantennetzwerk. Um Verschränkung zwischen beiden Systemen zu erhalten, wird das Atom mit Hilfe eines Laserpulses zum Aussenden eines Photons angeregt, das mit dem Atom verschränkt ist. Das Photon dient als Übermittler der Verschränkung. Über ein Glasfaserkabel wird es in das Nachbarlabor überführt und im BEC gespeichert. Nun sind Atom und BEC verschränkt. Nach einer gewissen Zeit wird das gespeicherte Photon wieder ausgelesen und der Zustand des Atoms auf ein zweites Photon übertragen. Verschränkung zwischen diesen Photonen weist nach, dass alle Schritte des Experiments erfolgreich durchgeführt wurden.

Kontakt:

Prof. Dr. Gerhard Rempe
Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Hans-Kopfermann-Straße 1, 85748 Garching
Telefon: +49 (0)89 32 905 -701 / Fax: -311
E-Mail:  gerhard.rempe@mpq.mpg.de

Matthias Lettner
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Telefon: +49 (0)89 32 905 -245
E-Mail:   matthias.lettner@mpq.mpg.de

Dr. Olivia Meyer-Streng
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Telefon: +49 (0)89 32 905 -213
E-Mail:   olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de

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