Ultraschneller Blick in Atome und Moleküle

Neuer Rekord in der Kurzzeittechnologie: Physiker vom MPQ und der LMU haben erstmals Lichtpulse erzeugt, die nur 80 Attosekunden dauern

19. Juni 2008

Wer Bewegungen von Elektronen in Atomen beobachten will, der muss schnell sein. Diese Schnelligkeit hat jetzt ein Physikerteam des „Munich-Centre for Advanced Photonics“ (MAP) erneut unter Beweis gestellt. In Zusammenarbeit mit Kollegen von der Advanced Light Source in Berkeley (USA) haben Forscher um Professor Ferenc Krausz vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) sowie Prof. Ulf Kleineberg von der LMU erstmals mit speziellen Laserpulsen Lichtblitze erzeugt, die nur noch rund 80 Attosekunden dauern. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstel Sekunde. Damit sind die Wissenschaftler erstmals in den Zeitbereich kürzer als 100 Attosekunden vorgestoßen. Dies eröffnet den Weg zur Echtzeitbeobachtung der schnellsten Elektronenbewegungen innerhalb von Atomen, Molekülen und Festkörpern. Einblicke in Elektronenvorgänge können zur Entwicklung neuer Lichtquellen, zum Verständnis der mikroskopischen Ursachen der Entstehung schwerer Krankheiten oder zur schrittweise Beschleunigung der elektronischen Datenverarbeitung in Richtung der ultimativen Grenzen der Elektronik führen (Science 20, Juni 2008).

Im Mikrokosmos bewegen sich Elektronen rasend schnell. Innerhalb weniger Attosekunden springen die Teilchen in Atomen, zwischen benachbarten Atomen in einem Molekül oder einem Festkörper von einem Ort zum anderen. Diese Sprünge sind die Ursache für das Aussenden von Licht im Bereich des sichtbaren, ultravioletten oder Röntgenspektrums. Ebenso sind sie verantwortlich für die Verformung und daraus resultierende Fehlfunktionen von Biomolekülen oder die Übertragung biologischer Information in den Nerven. Um diese Sprünge zu beobachten benötigt man Technologien, die es erlauben, ebenso kurze Zeiträume zu messen. Dazu dienen Lichtblitze.

Für die Erzeugung der Attosekundenpulse verwenden die Garchinger Physiker das starke elektrische Feld von Laserblitzen im nahen, infraroten Licht. In den Laserblitzen führt dieses Feld kaum mehr als eine einzige kräftige Schwingung mit einer Periode von ca. 2.5 Femtosekunden (eine Femtosekunde sind 1000 Attosekunden) aus. Das heißt: die Lichtwelle beinhaltet nur mehr zwei hohe Wellenberge und ein tiefes Wellental dazwischen. An den Spitzen dieser Berge und am Tiefpunkt des Tales ist die Kraft, die das elektrische Lichtfeld auf die Elektronen ausübt, am stärksten. Dadurch schlägt es Elektronen aus Atomen – im Experiment der Garchinger Physiker aus Edelgasatomen – heraus. Dabei entstehen Ionenrümpfe. Durch die Schwingung des Lichtfeldes ändert die Kraft ihre Richtung und schleudert die Elektronen wenig später wieder zu den Ionenrümpfen zurück. Beim Auftreffen rufen die freien Elektronen extrem schnelle Elektronenschwingungen hervor, die nur noch Attosekunden dauern und dadurch wiederum Lichtblitze in Attosekunden-Zeiträumen aussenden. Diese Blitze befinden sich dann im Bereich des extremen ultravioletten Lichts (XUV, ca. 10 bis 20 Nanometer Wellenlänge).

Die kontrollierte Erzeugung dieser einzigen kräftigen Lichtschwingung erlaubte es dem Garchinger Forscherteam nun erstmals, Elektronen innerhalb eines einzelnen Laserpulses genau dreimal freizusetzen. Bei ihrer Rückkehr zum Ionenrumpf senden sie dann exakt drei Attosekundenpulse aus.

Jeder Femtosekundenlaserblitz erzeugt also drei Attosekundenpulse. Einer dieser drei Pulse besitzt eine besonders hohe Intensität, er liefert mehr als 100 Millionen Photonen innerhalb einer Dauer von nur 80 Attosekunden. Diesen Puls filtert das Team mit speziellen Röntgenspiegeln heraus, die die Arbeitsgruppe von Prof. Ulf Kleineberg entwickelt, und erzeugt dadurch einen einzelnen Röntgenblitz mit einer Dauer von 80 Attosekunden. Die neue Generation von Attosekundenpulsen, mit einer nie dagewesenen Kürze und Intensität verdankt ihre Existenz der Fähigkeit der Physiker, mit ihren Laserblitzen die Ionisation (Freisetzung von Elektronen) auf eine einzige Schwingungsperiode des Laserlichts beschränken zu können.


Erzeugung der Attosekundenpulse Detailansicht der Beamline AS-1: An der AS-1 erzeugen die Physiker vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (Prof. Ferenc Krausz) Lichtblitze, die nur noch 80 Attosekunden lang dauern. Eines der Herzstücke der Anlage ist auf dem Bild zu sehen. An dieser Stelle entstehen die Attosekundenblitze. Das Foto zeigt eine Düse, aus der Edelgas strömt. Auf das Edelgas wird ein Laserblitz fokussiert. Dadurch werden die Edelgasatome angeregt und senden anschließend selbst Lichtblitze im Attosekundenbereich aus. Foto: Thorsten Naeser

Mit ihren Experimenten stoßen die Garchinger Physiker kontinuierlich in bisher unbekannte Zeitdimensionen vor. „Lichtpulse, die kürzer als 100 Attosekunden sind, werden uns den Zugang zu bisher nicht sichtbaren Elektronenbewegungen gewähren. Vor allem Wechselwirkungen der Elektronen untereinander werden wir in Echtzeit beobachten können“, erklärt Dr. Eleftherios Goulielmakis, Forschungsgruppenleiter im Team von Prof. Krausz.

„Elektronen sind in lebenswichtigen mikroskopischen Prozessen genauso wie in der Technik allgegenwärtig. Ihre blitzschnelle Bewegung bestimmt den Ablauf aller biologischen und chemischen Prozesse, wie auch die Geschwindigkeit der Mikroprozessoren, das Herzstück von Computern“, erklärt Ferenc Krausz. Mancher dieser Prozesse, wie etwa die Energieübertragung zwischen Elektronen oder die Reaktion der Teilchen auf externe Einflüsse, kann innerhalb weniger Attosekunden vonstatten gehen. „Mit unseren Lichtpulsen machen wir diese Phänomene immer besser sichtbar“, ergänzt der ungarisch-österreichische Physiker. Ähnlich wie bei der Belichtungstechnik in der Fotografie werden die Bilder aus dem Mikrokosmos umso schärfer, je kürzer die Lichtpulse sind, mit denen sie abgeblitzt werden. „Dank der Attosekundentechnik werden wir eines Tages in Molekülen Elektronenbewegungen, die etwa für eine Krebserkrankung verantwortlich sind, in Zeitlupe beobachten. Ebenso werden wir elektrischen Strom in atomaren Schaltkreisen mit Infrarotlicht viele Billionen Mal pro Sekunde schalten können“, so Ferenc Krausz. Thorsten Naeser


Blick in eine Vakuumkammer für Attosekundenmessungen In einer Vakuumkammer werden die extrem ultravioletten Attosekundenpulse (links oben, als blauer Strahl gekennzeichnet) über einen Spiegel (rechts) auf eine Probe aus Neongas fokussiert. Gleichzeitig trifft ein Laserpuls im Bereich des nahen Infraroten auf die Probe (roter Strahl). Die beiden Lichtstrahlen in Kombination ermöglichen die Beobachtung von Elektronenbewegungen in den bestrahlten Atomen. Foto: Thorsten Naeser  Bildbearbeitung: Christian Hackenberger

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Prof. Dr. Ferenc Krausz
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
Telefon: +49 (0)89 32 905 -612 / Fax: -649
E-Mail:   ferenc.krausz@mpq.mpg.de
http://www.attoworld.de

Prof. Ulf Kleineberg
Ludwig-Maximilians-Universität München
Telefon: +49 (0)89 2891 -4003 / Fax: -4141
E-Mail:   ulf.kleineberg@physik.uni-muenchen.de

Dr. Eleftherios Goulielmakis
Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching
Telefon: +49 (0)89 32 905 -632
E-Mail:   elgo@mpq.mpg.de

Dr. Olivia Meyer-Streng
Presse-und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Quantenoptik
Telefon:  +49 (0)89 32 905 -213
E-Mail:   olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de

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